Wie Akten Leben retten

1999 lag die Krankenhaussterblichkeit bei Herzinfarkt, Herzschwäche und Lungenentzündung in den damals rund 20 Helios Kliniken über dem Bundesdurchschnitt – sie war also schlechter. Aus dem Streit einiger Helios-Ärzte über die Ursachen dafür entstand das sogenannte Peer-Review-Verfahren – ein Quantensprung für die Qualitätssicherung im Krankenhaus, das mittlerweile sogar von der Bundesärztekammer anerkannt ist.

Liegt eine überdurchschnittlich hohe Sterblichkeit bei bestimmten Krankheitsbildern am Pech, besonders viele sehr schwer erkrankte Patienten behandelt zu haben? Oder behandelt man schlechter als andere Krankenhäuser? Und wenn ja, wie kann man sich verbessern? Diese Frage stellten sich die Helios-Mediziner im Jahr 2000 und baten Chefärzte anderer Kliniken, Behandlungsabläufen von im Jahr 1999 verstorbenen Patienten des Helios Klinikums Leisnig retrospektiv zu prüfen. Die Ergebnisse der Prüfungen zeigten deutliches Verbesserungspotenzial – und die Idee des ärztlichen Peer-Review-Verfahrens war geboren! 

Im Jahr 2001 gründete sich dann bei Helios die Arbeitsgruppe Internes Qualitätsmanagement, die das Peer-Review-Verfahren ausarbeitete und weiterentwickelte. Im Jahr 2003 weiteten wir die Peer-Review-Verfahren auf bis zu acht weitere Krankheitsbilder wie die Intensivmedizin und in den Folgejahren sukzessive aus. Die Erfolge sind ebenfalls klar nachweisbar. So sanken die Sterblichkeitsraten in sechs Krankheitsbildern nach Einführung von Peer-Review-Verfahren, was rund 700 geretteten Menschenleben entspricht.

Auch außerhalb der Helios Kliniken setzte sich das Verfahren durch. Mittlerweile wenden rund 450 Kliniken in Deutschland und der Schweiz im Rahmen der Initiative Qualitätsmedizin (IQM) das Verfahren an. Auch die Bundesärztekammer zeigte sich frühzeitig sehr interessiert an den Verfahren und beschloss im Jahr 2011 das Curriculum Ärztliches Peer Review, mit dem sie die Weiterbildung zum Peer definiert.

So läuft ein Peer-Review-Verfahren bei Helios ab

  1. Selbstreview

    Zunächst erfolgt ein Selbstreview, das der verantwortliche Chefarzt mit seinem Team anhand einer retrospektiven Behandlungsaktenanalyse durchführt.

  2. Aktenanalyse der Peers

    Anschließend untersuchen die Peers vor Ort dieselben Behandlungsfälle konstruktiv-kritisch. Diese Aktenanalyse folgt einer klar festgelegten Vorgehensweise mit einheitlichen Analysekriterien. Die Aktenanalyse ist auf 20 Akten begrenzt und nimmt in der Regel vier Stunden in Anspruch.

  3. Falldiskussion

    Die anschließende Falldiskussion zwischen den Peers und dem verantwortlichen Chefarzt und seiner Abteilung ist das Kernstück des Reviews. Hierfür sind noch einmal drei bis vier Stunden einzuplanen. Diese Diskussion auf Augenhöhe bringt den größten Nutzen für die besuchte Klinik. Ihr Verlauf entscheidet über die Akzeptanz und Wirksamkeit des Verfahrens. Ergebnisse des Reviews sind identifizierte Qualitätsprobleme sowie konkrete Lösungsvorschläge zu deren Vermeidung. Diese Vorschläge beziehen sich in erster Linie auf interdisziplinäre Schnittstellen, Standards, Leitlinien, Dokumentation und Abläufe.

  4. Schlussbesprechung

    Die Ergebnisse werden abschließend gemeinsam mit dem Ärztlichen Direktor und dem Klinikgeschäftsführer besprochen. Die Verantwortung für die Umsetzung der Lösungsvorschläge liegt beim Chefarzt vor Ort, die Unterstützung und Kontrolle der Umsetzung obliegt dem Ärztlichen Direktor und der Klinikgeschäftsführung.

  5. Information anderer Kliniken

    Sofern die Ergebnisse auch für andere Kliniken relevant sind, informieren die Chefärzte und Peers die entsprechende Helios Fachgruppe und tragen durch die interne Vernetzung dazu bei, dass auch Patienten in anderen Kliniken besser behandelt werden können.