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Integration in Meiningen

„Dieses Land braucht euch!“

Nasar und Sabur haben es aus Afghanistan über Umwege und eigenem Antrieb in die „Helios Familie“ geschafft. Heute arbeiten Sie im Helios Klinikum Meiningen. Eine Geschichte von Mut, Zuversicht und Entschlossenheit.

03. April 2024
Integration Meiningen

Der Inhalt des Briefes, den Nasar und Sabur 2019 in den Händen hielten, schien ihr noch kurzes Lebensglück auf unbändige Weise zu zerstören. Jetzt, da beide sich erfolgreich der deutschen Sprache bemächtigt und die Realschule abgeschlossen hatten sowie seit einem Jahr eine Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger absolvierten, vertrat eine deutsche Behörde die Ansicht, dass ihr Herkunftsort Kabul ein sicherer Platz zum Leben sei. Mohammad Nasar Karandish und Mohammad Sabur Nazari wurden somit zur Ausreise aus Deutschland aufgefordert.

 

2016, im Alter von 15 Jahren, beschlossen beide Jugendliche unabhängig voneinander, das Land ihrer Vorfahren für immer zu verlassen. Das, was Afghanistan ihnen seinerzeit zu bieten hatte, reichte längst nicht aus, um sich den Traum eines glücklichen Lebens zu erfüllen. Zu Fuß machten sie sich auf den Weg, durchquerten unter anderem den Iran, die Türkei, Griechenland und die Balkanstaaten. Vor ihrer Weiterreise nach Deutschland lernten sich die Jungs schließlich in Österreich kennen. Seither sind sie unzertrennlich, meistern gemeinsam ihr Dasein, sind Freunde, Brüder geworden.

 

Die erste Hürde in Deutschland war das Erlernen der Sprache. „Wir wussten beide, wie wichtig das ist und setzten alles daran, dieses Ziel schnell zu erreichen”, erinnert sich der heute 23-jährige Sabur. Sein gleichaltriger Freund Nasar pflichtet ihm bei und verweist nicht ohne Stolz auf seinen Notendurchschnitt von 1,6, mit dem er die Realschule abschloss. Wenige Monate zuvor, nach Schülerpraktika in Autowerkstätten und der Gastronomie, hatten sie übereinstimmend beschlossen, im Helios Klinikum Meiningen eine Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger zu absolvieren. Gegen die erwähnten Ausreiseaufforderungen legten sie Widerspruch ein. Später, als die afghanischen Taliban erneut das Zepter am Hindukusch übernahmen, gewährte Deutschland Nasar und Sabur eine unbefristete Niederlassungserlaubnis.

 

Ticket ins Glück

Die Lehrausbildung empfanden die Jungs als ihr persönliches Ticket ins Glück. „Mit dem Glauben an uns, unsere Familien und an Gott haben wir alles darangesetzt, diese Chance, für die wir Helios sehr dankbar sind, beim Schopf zu packen”, fügt Nasar an. Jede freie Minute hätten sie in das Lernen investiert, sagt er. Von Beginn an wollten sie durch gute Leistungen überzeugen, wollten beweisen, dass sie eine Bereicherung für Deutschland sind. Drei Jahre lang fehlten sie keinen Tag, weder in der Schule noch bei der praktischen Arbeit im Klinikum. Beide packten ihre Ausbildung auf Anhieb.

 

Auch jetzt, mit dem Zertifikat in der Tasche, sind Nasar und Sabur weiter als Team unterwegs. Selbst auf der Meininger Intensivstation, auf der sie im Schichtdienst tätig sind. Beide sind glücklich über das Erreichte, aber das Ende ihres beruflichen Weges sehen sie noch nicht. „Das Arbeiten auf der ITS ist eine echte Herausforderung. Täglich kommt neues Wissen dazu. Daher ist unser nächstes Ziel der Fachkurs für Anästhesie und Intensivpflege. Auch diese drei Jahre wollen wir erfolgreich bestreiten”, gibt sich Nasar kämpferisch. Selbst ein Studium der Medizin schließen die jungen Pflegefachkräfte zu einem späteren Zeitpunkt nicht aus.

 

Bereicherung hat mehrere Sprachen

„Der Elan und das Engagement der Beiden ist nicht hoch genug zu würdigen. Es freut uns, dass wir mit ihnen zwei weitere Mitarbeiter gewinnen konnten, die es uns als Team ermöglichen, in Meiningen eine gute und sichere Gesundheitsversorgung sicherzustellen”, betont die Klinikgeschäftsführerin Claudia Holland-Jopp. Die Quote der Nicht-Muttersprachler liege deutlich über zehn Prozent der Belegschaft und damit über dem Landesdurchschnitt in Thüringen von 7,5 Prozent.

 

Die deutsche Staatsbürgerschaft, die Nasar und Sabur mittlerweile beantragt haben, könnte ihnen mit etwas Glück noch in diesem Jahr ausgehändigt werden. Sie wäre der Lohn für all die Arbeit, die Mühe und den unbändigen Fleiß, den beide in den vergangenen acht Jahren investiert haben. Helios, sagen sie übereinstimmend, sei für sie eine neue Familie geworden. Sie fühlen sich wohl im Stationsteam, wissen das Vertrauen, das man ihnen mit der Ausbildung geschenkt hat, zu schätzen und wollen es heute zurückgeben. Nasar betont: „Mit starkem Willen kann man vieles schaffen. Das sagen wir auch denen, die wie wir als Fremde nach Deutschland gekommen sind. Zieht euren Plan durch – dieses Land braucht euch!”

 

Integration Meiningen