Auf einmal waren sie da: Daniela J. beschreibt ihre Beschwerden als „Schmerzen wie von null auf hundert“. Was sich im März 2024 zunächst nach einem eingeklemmten Nerv anfühlte, wurde schnell zu einem unaushaltbaren Dauerzustand. „Meine kleinste Tochter war damals knapp 15 Monate alt“, erinnert sich die 9-fache Mutter, „Ich musste also eigentlich funktionieren, auch für meine anderen Kinder. Aber die Schmerzen wurden von Tag zu Tag stärker. Ich konnte nicht mehr stehen, nicht mehr laufen, nicht mehr Autofahren und bin mehrfach zusammengebrochen.“ Nach einigen Tagen begab sich die damals 42-Jährige in die Notaufnahme ihres Wohnortes und wurde mit Schmerzmitteln versorgt. Ihr Hausarzt verordnete ihr aufgrund des Verdachts auf einen Bandscheibenvorfall außerdem ein MRT. „Nach neun Schwangerschaften und der hohen körperlichen Belastung in meinem Alltag war das wohl naheliegend“, sagt Daniela J. Noch bevor der Befund des MRTs ihren Hausarzt erreichte, warf sie gemeinsam mit ihrem Mann einen Blick auf die Bilder der CD, die Patient:innen nach einem MRT erhalten. Sie erzählt: „Auch als absolute Laien wussten wir anhand der Bilder sofort, dass da etwas nicht stimmt. Ein Gefühl, das ich niemandem wünsche.“
Erfolgreiche Operationen in Buch
Nachdem Daniela J.s MRT schließlich ausgewertet wurde, folgte die sofortige Einweisung in eine Klinik. Sie entschied sich für das Helios Klinikum Berlin-Buch, wo umgehend Folgeuntersuchungen eingeleitet wurden. „Vor Ort wurden noch ein MRT, ein CT und zwei Biopsien durchgeführt. Ich sollte zwischendurch zwar immer wieder nach Hause fahren. Aber dort habe ich es vor lauter Schmerzen auch nicht mehr ausgehalten“, erinnert sie sich. Nach einer zweiten Biopsie erhielt sie nach weiteren drei Tagen schließlich eine Diagnose: Krebs. Genauer: Daniela J. litt unter einem sogenannten Chordom.
Ein Chordom wird bei nur 1 von 1.000.000 Menschen pro Jahr diagnostiziert und entsteht aus den verbliebenen Strukturen der Chorda dorsalis. „Die Chorda dorsalis ist ein elastischer Stützstrang, der sich während der frühen Embryonalentwicklung bildet. Mit dem Wachstum des Embryos übernimmt die Wirbelsäule ihre stützende Funktion, und die Chorda dorsalis bildet sich größtenteils zurück. Kleine Reste davon bleiben jedoch als gallertartige Substanz in den Bandscheiben erhalten. Da das Chordom aus diesen Überresten entsteht, liegt sein Ursprung in der Wirbelsäule. Es handelt sich um einen bösartigen Tumor, der aggressiv in das umliegende Gewebe eindringt und auch Tochtergeschwülste (Metastasen) bilden kann“, erklärt Prof. Dr. med. Yu-Mi Ryang, Chefärztin der Klinik für Neurochirurgie und Leiterin des Zentrums für Wirbelsäulentherapie im Helios Klinikum Berlin-Buch. Chordome können entlang der gesamten Länge der Wirbelsäule auftreten, wobei etwa die Hälfte am unteren Ende in der Nähe des Steißbeins und 30 Prozent an der Schädelbasis entstehen.
Gemeinsam mit ihrem Kollegen Prof. Dr. med. Michael Akbar, Spezialist für komplexe Wirbelsäulen- und Skoliosechirurgie, führte Prof. Ryang insgesamt zwei Operationen durch, um den Tumor zu entfernen. Während im Rahmen der ersten Operation ein Titan-Gestell in Daniela J.s Rücken eingesetzt wurde, entfernte das Spezialisten-Team während einer zweiten Operation mittels einer en bloc Spondylektomie LWK3 den gesamten Wirbelkörper mit dem kompletten Tumor sowie die umliegenden Strukturen einschließlich der Bandscheiben. Ein extrem risikoreiches und schwieriges Verfahren, welches nur in wenigen Kliniken angeboten und durchgeführt wird. Prof. Dr. med. Ryang erläutert: „Das Chordom ist nicht nur ein sehr seltener Tumor, sondern ebenso schwierig zu behandeln, da es wichtige Strukturen wie den Hirnstamm, das Rückenmark sowie wichtige Nerven und Arterien befällt. Betroffene sollten daher ein wirbelsäulenchirurgisches Zentrum aufsuchen, welches genügend Erfahrung mit dieser Erkrankung hat. Unser Ziel war es, tumorfreie Ränder zu erreichen und zugleich die Wirbelsäulenstabilität zu erhalten. Das ist uns erfolgreich gelungen und ich bin sehr glücklich zu sehen, dass sich die Patientin bisher gut erholt hat.“
Zurück im (neuen) Alltag
Mittlerweile hat sich Daniela J. in ihrem neuen Alltag einigermaßen eingelebt. Sie hatte lange mit starkem Eisenmangel zu kämpfen, kann nur kurze Strecken laufen und hat Schmerzen, wenn sie zu lange sitzt oder läuft. Alle drei Monate stehen im Bucher Klinikum Kontrolluntersuchungen an – und das für mindestens drei Jahre. Aber sie lebt – und ist sich bewusst: „Ich bin selten von selten, wie ein Wunder und habe sehr viel Glück gehabt.“ Konnten die Bucher Spezialist:innen ihr vor den Operationen nicht sagen, wie ihr körperlicher Zustand im Anschluss sein und ob sie schwere Lähmungen der Beine oder womöglich sogar querschnittgelähmt sein würde, traf schlussendlich keine der durchaus düsteren Prognosen auf. Trotz der notwendigen Entfernung mehrerer befallener Nervenwurzeln, trat keine der befürchteten Lähmungen ein. Wenn sie an ihre Zukunft denkt, hat sie deshalb auch nur einen großen Wunsch: „Ich möchte meine Kinder aufwachsen sehen.“ Ein Wunsch, der hoffentlich in Erfüllung geht.