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„Kleine Spuren“: Neue Trauergruppe für Eltern von Sternenkindern in Wipperfürth

Der Begriff „Sternenkinder“ bezeichnet Babys, die vor, während oder kurz nach der Geburt versterben. Der Umgang mit diesem sensiblen Thema ist noch immer mit vielen Tabus behaftet. Die Helios Klinik Wipperfürth unterstützt betroffene Familien.

13.10.2025 Lesedauer: - Min.

Wann genau Felinas Herz im Bauch ihrer Mutter aufhörte zu schlagen, ließ sich im Nachhinein nicht mehr exakt bestimmen. Auch der konkrete Grund, der an diesem 30. September 2018 zum plötzlichen Tod von Sonja Mais Tochter führte, konnte nie geklärt werden. Kurz vor der Niederkunft waren bei einer letzten Routineuntersuchung jedenfalls keine Herztöne mehr vernehmbar – so sehr sich die Ärzte auch mühten, sie zu finden. „Ich war wie in einer Schockstarre und wollte das Kind nur noch aus mir heraushaben“, blickt die Hückeswagenerin auf den schlimmsten Tag ihres Lebens zurück.

Die Geburt im Kreißsaal der Helios Klinik Wipperfürth verlief dann so normal wie die Schwangerschaft fast neun Monate zuvor. Zu keinem Zeitpunkt in diesem Dreivierteljahr gab es einen Moment des Zweifels daran, einem gesunden Kind das Leben zu schenken.

Nach der Einnahme von Wehenmitteln brachte die damals 33-Jährige ihr erstes Baby zur Welt. Nur, dass es nicht atmete, nicht schrie und keinerlei Körperspannung hatte. Das hielt Sonja Mai nicht davon ab, es sich von einer Hebamme auf ihre nackte Haut legen zu lassen, um den kleinen Körper zu spüren – ganz so, wie Eltern es mit gesunden Neugeborenen tun, um eine frühe Bindung aufzubauen.

Große Trauerfeier und Bestattung

Gemeinsam mit ihrem Mann badete sie den kleinen Körper, zog ihm eine winzige Windel an und kleidete Felina mit den mitgebrachten Babysachen ein. Dann kamen nach und nach die engsten Verwandten, um sich von ihr zu verabschieden. Fotos wurden gemacht. Erinnerungen an einen Menschen, der nicht leben durfte.

Einige Tage später folgte ihre Beerdigung auf dem Friedhof in Hückeswagen. Viele Menschen kamen, um mit ihr und ihren Eltern den letzten Weg zu gehen und den kleinen Sarg zu bestatten. Ein schwerer, aber auch befreiender Moment für Sonja Mai und ihren Mann Carsten: „Wir spürten in diesem Moment, dass wir mit unserem Schmerz nicht allein waren. Dieses riesige Netz aus Menschen hatte uns ein Stück weit getragen“, sagt Frau Mai. „Auch wenn unsere Tochter nicht leben durfte, hat sie Spuren hinterlassen, die nie verblassen werden.“

„Solche Erfahrungen prägen Eltern tief – und doch wird selten offen darüber gesprochen.“ Caroline Hoormann ist Hebamme und hat schon viele Kinder zur Welt gebracht. Lebende und tote. So ein Ereignis hinterlasse Spuren, über die man aber lieber schweigt, so die Remscheiderin. „Irgendwann dachte ich mir: Das muss man ändern!“

„kleine Spuren“ ist darum der treffende Name der Trauergruppe, die sie gemeinsam mit Georg Kalkum, Krankenhausseelsorger an der Wipperfürther Klinik, ins Leben gerufen hat. Ziel ist, endlich auch in der Hansestadt im Bergischen einen Ort anbieten zu können, an dem Betroffene sich austauschen und zu vielen Fragen rund um das Thema Rat finden können. Neben dem starken emotionalen Aspekt sind es auch praktische Fragen, die eine Rolle spielen: Habe ich auch nach einer Fehlgeburt ein Anrecht auf Mutterschutz? Stehen mir Leistungen wie der Arbeitgeberzuschuss zu?

Betroffene Mütter unterstützen die Trauergruppe

„Natürlich steht bei den Allermeisten zunächst Trauer und Schmerz im Vordergrund. Um das zu bewältigen, möchte unsere Gruppe, bei der auch selbst betroffene Mütter aktiv unterstützen, in erster Linie da sein.“ Aber irgendwann rückten dann auch andere Themen in den Fokus, für deren Beantwortung es seit dem 1. Juni mit der Änderung des Mutterschutzgesetzes eine neue und bessere Grundlage gebe, so Hoormann. Auch hierzu wolle man beraten und aufklären.

„Das ist ein wichtiger Schritt. Denn damit erkennt die Politik an, dass auch Frauen, die ihr Kind frühzeitig verloren haben, schließlich Mütter geworden sind und Rechte haben“, sagt Georg Kalkum, Krankenhausseelsorger und Mitinitiator von „kleine Spuren“.

Darüber hinaus sei es nach wie vor noch so, dass man über das Thema Tod nicht gerne spricht, schon gar nicht bei Kindern, und es noch immer für Frauen häufig ein Stigma sei, ihr Kind nicht zur Welt gebracht zu haben. Daraus resultierten Scham und Selbstzweifel, so Kalkum. „Es gibt sehr viele Frauen, die ein Kind verloren haben und schweigend leiden, weil ihnen niemand zuhören will. Dafür wollen wir mit den „kleinen Spuren“ eine Anlaufstelle in der Stadt bieten.“

Schon seit einigen Jahren hält der hauptamtliche Gemeindereferent regelmäßig ökumenische Trauerfeiern für Sternenkinder in der Krankenhauskapelle ab. Die nächste findet am 14. Dezember zum sogenannten „Worldwide Candle Lighting Day“ statt. An diesem Tag wird aller verstorbenen Kinder gedacht. Zweimal jährlich lädt die Klinik gemeinsam mit den beiden Kirchengemeinden zu Bestattungszeremonien auf dem Friedhof in Wipperfürth-Klaswipper ein. Bei beiden Anlässen merke man deutlich, wie nahe das den Angehörigen gehe und wie wichtig es ihnen ist, einen würdigen Schlusspunkt zu setzen, sagt Kalkum. Vielen helfe aber auch ein Gedenktag wie der offizielle „Tag der Sternenkinder“, der am 15. Oktober wieder stattfindet.

So wie bei Sonja Mai und ihrer Familie. Selbst nach so vielen Jahren bekommt sie an diesem Tag noch Nachrichten von Freunden und Angehörigen, die an Felina denken. Inzwischen hat sie zwei gesunde Kinder zur Welt gebracht, die ihr Ein und Alles sind. Doch ihr erstes, das zum Sternenkind wurde, zu diesem hat sie immer noch eine ganz besondere und starke Bindung, die sich schwer in Worte fassen lässt.

„Mir war früh klar, dass ich irgendwann auch gesunde Kinder im Arm halten will. Dass das geklappt hat, macht uns sehr glücklich. Aber sie werden niemals ein Ersatz sein. Felina wird immer ihren festen Platz in unseren Herzen haben.“

Helios Klinik Wipperfürth

Gemeindereferent & Seelsorger

Es gibt sehr viele Frauen, die ein Kind verloren haben und schweigend leiden, weil ihnen niemand zuhören will.