Als Mitarbeiterinnen der Helios Kliniken Mittelweser sind Madeline Bode und Susanne Böhlke Profis darin, Menschen zu helfen. Madeline Bode bringt als Praxisanleiterin im Team Integration neuen ausländischen Kolleginnen und Kollegen im Rahmen der Anerkennung die pflegerische Arbeit auf den Stationen bei, während Susanne Böhlke als Gesundheits- und Krankenpflegerin auf der Intensivstation Patienten mit kritischem Gesundheitszustand versorgt. Doch mit dem Feierabend ist der Dienst am Nächsten nicht beendet – denn beide sind ehrenamtlich im Kriseninterventionsteam des DRK Kreisverbandes Nienburg/Weser e.V. für den Landkreis Nienburg tätig.
Doch was muss man sich darunter vorstellen?
„Das Kriseninterventionsteam kommt in Notfällen zum Einsatz – und zwar meistens dann, wenn die Arbeit des Rettungsdienstes beendet ist. Wir kümmern uns um die psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) der Angehörigen und Beteiligten, die oft hilflos und im Schock nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen“, erklärt Böhlke.
Die Einsatzfälle sind hier vielfältig. „Das können die Eltern sein, deren Kleinkind vor ein Auto gelaufen und verunglückt ist, aber genauso auch der Fahrer des Autos. Der Ehemann, dessen Frau nicht reanimiert werden konnte. Ein fassungsloser Mensch, dessen Angehöriger gerade einen Suizid begangen hat“, erläutert Bode. Dazu kommen Einsätze bei plötzlichem Kindstod, dem Tod eines Angehörigen nach einer Gewalttat, Unfälle im Schienenbereich mit Betreuung des Zugführers oder auch das Überbringen einer Todesnachricht an Angehörige, als Unterstützung der Polizei. „Unsere Einsatzkräfte unterstützen auch in Katastrophenlagen wie z. B. unlängst bei der Flutkatastrophe im Ahrtal“, berichten die beiden Kolleginnen.
„In den meisten Fällen werden die Kriseninterventionshelfer nach Einsatz des Rettungsdienstes direkt von der Leitstelle gerufen, manchmal aber auch parallel zum Rettungsdienst – z. B. bei schweren Verkehrsunfällen mit mehreren Beteiligten oder Großschadensereignissen wie Busunglücken“, ergänzt Bode.
Im Krisenfall unterstützen sie die Betroffenen, den Schock zu verarbeiten und möglichst schnell das eigene soziale Netzwerk zu aktivieren, damit sie nicht alleine sind. Auch geht es darum, Hilfestellung zu leisten, was notwendige nächste Schritte sind.
Die sog. „Kriseninterventionshelfer“ arbeiten meistens in Zweierteams und sprechen die erlebte Situation im Nachgang an den Einsatz noch einmal gemeinsam durch, um die eigene Arbeit zu reflektieren. „Auch uns gehen die Situationen nahe und da hilft das gemeinsame abschließende Gespräch“, so Böhlke. Ist darüber hinaus noch Unterstützung notwendig, kann eine Supervision mit der Leitung des Teams stattfinden.
„Auch die Kriseninterventionshelfer benötigen eine Möglichkeit, über das Erlebte zu sprechen. Daher haben wir nicht nur ausgebildete Helfer in der psychosozialen Notfallversorgung der Betroffenen, sondern auch der Einsatzkräfte“, erläutert Kira Helena Fröhlich, die gemeinsam mit Uwe Nicolai die Leitung des Teams innehat.
Die Arbeit als Kriseninterventionshelfer ist ehrenamtlich. Doch bevor jemand dem Team beitreten kann, muss zunächst ein 100-stündiger Kurs im Bereich der psychosozialen Notfallversorgung absolviert werden.
„Madeline und ich haben beide im November 2019 unseren Kurs begonnen und waren im Februar 2020 fertig“, erklärt Böhlke. Finanziert wurde dieser durch den DRK Kreisverband. Inhalte der Ausbildung sind unter anderem psychologische Gesprächsführung, Psychohygiene, das Durchgehen von Fallbeispielen, Rollenspiele, Herangehensweisen in den unterschiedlichen Religionen und Trauerphasen.
Die Idee, sich dem Team anzuschließen, kam auf den Vorschlag von DRK-Kollegen. „Wir waren beide vorher schon ehrenamtlich im DRK tätig“, so Böhlke, die dort vor allem Erste-Hilfe-Kurse für Babys und Kleinkinder durchgeführt hat.
Das Kriseninterventionsteam besteht seit 2012. Anlass der Gründung war eine DRK-Veranstaltung zum Thema PSVN, an der Martin Krone, Geschäftsführer des DRK Kreisverbandes Nienburg/Weser teilgenommen hat. „Das Konzept hat mich sofort überzeugt. Daher wollte ich auch für unseren Landkreis ein ähnliches Angebot anbieten.“ Als eingetragener Verein ist die Krisenintervention des DRK Kreisverbandes Nienburg/Weser auf Spenden angewiesen. Nur so kann auch die kostenintensive Ausbildung der neuen Teammitglieder finanziert werden.
Mittlerweile konnten 19 Personen für das Team gewonnen und ausgebildet werden. „Ich freue mich sehr über den Zuwachs an ehrenamtlichen Helfern. Oftmals sind dies auch Mitarbeiter, die auch hauptamtlich im Rettungsdienst tätig sind. Der Grund liegt auf der Hand – denn unsere Notfallsanitäter haben sich in der Vergangenheit selbst oft genug gefragt, was aus den Angehörigen wird, die sie gerade am Ort des Geschehens zurücklassen mussten“, erläutert der Geschäftsführer.
Für unsere beiden Kolleginnen Madeline Bode und Susanne Böhlke ist die Arbeit im Kriseninterventionsteam eine Herzensangelegenheit. „Ich finde es sehr wichtig, den Betroffenen Unterstützung zu geben“, so Böhlke. „Wichtig ist, dass wir da sind. Denn: Auch wenn die Betroffenen zunächst gefasst wirken, kann früher oder später der Punkt kommen, an dem sie unsere Unterstützung benötigen.“ So ist es nicht ungewöhnlich, dass die Einsätze mehrere Stunden dauern.
„Entscheidend ist hier ein empathisches Vorgehen. Um den Betroffenen helfen zu können, müssen wir auch in der Lage sein, einen Perspektivwechsel vorzunehmen“, ergänzt Bode.
Auch Klinikgeschäftsführer Christian Thiemann ist beeindruckt vom Engagement seiner beiden Mitarbeiterinnen. „Die Arbeit des Kriseninterventionsteams ist unglaublich wichtig. Wir im Krankenhaus wissen, wie wichtig die Unterstützung von Angehörigen in solchen Situationen ist. Doch es erfordert auch persönliche Stärke. Ich ziehe da wirklich den Hut vor den beiden Kolleginnen, dass sie sich ehrenamtlich für diese Sache engagieren.“
Wir danken unseren beiden Kolleginnen für das Interview!