„Wenn herkömmliche Therapien gegen Schmerzen nicht helfen, kann die die Neurostimulation viel bewirken“, sagt Dr. Torsten Eichenauer, Leiter des Zentrums für spinale Neuromodulation Helios Kliniken Mittelweser.
Eine falsche Bewegung verursacht jahrelange Rückenschmerzen
Für den Schmerz-Experten Eichenauer, der jährlich rund 500 Patientinnen und Patienten mit chronischen Rückenschmerzen behandelt, ist es wichtig, immer auf dem neusten Stand der Wissenschaft und Technik zu sein. Dass ihm dies jedoch ausgerechnet im engsten Familienkreis zugutekommen würde, hätte er nicht gedacht. Im Jahr 2017 ereignete sich ein Vorfall, der für seine Frau Antje Eichenauer Ausgangspunkt für eine jahrelange Leidenszeit sein sollte. „Es war eigentlich nichts Spektakuläres. Ich war bei der Physiotherapie und wollte von der Liege aufstehen. Plötzlich schoss ein so heftiger Schmerz in den unteren Rücken, dass mir die Luft wegblieb“, erinnert sich Antje Eichenauer. Die Intensität ließ zwar nach, doch schmerzfrei wird sie nicht mehr. „Die Schmerzen wurden ständig stärker, so dass ich schon bald nachts nicht mehr liegen konnte und morgens ewig brauchte, um mich zu bewegen“, erläutert sie. An ihr geliebtes Yoga oder Joggen war dann gar nicht mehr zu denken. Bereits nach kurzer körperlicher Aktivität musste sie sich ausruhen. Für die sonst so aktive Frau eine enorme Einschränkung und auch psychische Belastung. Die Diagnose war diffus. „Zunächst hatten wir eine rheumatologische Erkrankung in Verdacht. Dies hat sich dann aber nicht bestätigt. Weder Physiotherapie noch eine medikamentöse Therapie halfen“, erinnert sie sich an die leidgeplante Zeit.
Neues Verfahren bringt die große Wende
In 2021 erfährt ihr Ehemann Dr. Eichenauer auf einem Kongress von einem neuen Behandlungsansatz der Neuromodulation, bei der die degenerierte, tiefe Rückenstreckermuskulatur reaktiviert werden kann. „Dies betrifft in erster Linie Patientinnen und Patienten mit Schmerzen im Lendenwirbelbereich“, so Eichenauer. Die Ursache erklärt er ganz einfach. „Dieser tiefe Muskel wird durch ein einmaliges Schmerzerlebnis – wie bei meiner Frau - gehemmt und arbeitet kurzzeitig nicht. Bei den meisten Menschen reaktiviert sich der Muskel schnell wieder automatisch – bei einigen aber nicht“, so Eichenauer. Die Folge ist, dass der Muskel abbaut, sich in Fettgewebe umwandelt und der restlichen Wirbelsäule dadurch keinen Halt mehr gibt. Dieser Zustand verursacht immer stärker werdende Schmerzen im unteren Rücken. „Als ich von diesem neuen Ansatz hörte, wollte ich die Technik unbedingt anwenden“, erinnert sich der Neurochirurg. Gesagt, getan – Mit großem Erfolg setzt Eichenauer diese ein. Die Patientin mit der Glückszahl 13 war dann seine eigene Frau, die sich noch ganz genau an die Entscheidungsfindung erinnert: „Mein Mann haderte anfangs damit, dass er mich operieren sollte. Doch für mich war klar, dass er den Eingriff durchführt. Zum einen ist er einfach ein exzellenter Chirurg – und zum anderen kenne ich auch die Klinik sowie viele der Kolleginnen und Kollegen. Ich wusste einfach, dass ich dort gut aufgehoben sein würde.“ Antje Eichenauer spricht aus Erfahrung, denn sie selbst arbeitete in der Nienburger Klinik als Gesundheits- und Krankenpflegerin im OP.
Neurostimulator reaktiviert Muskulatur
Der Neurostimulator wird in einem minimalinvasiven Eingriff unter Vollnarkose implantiert. Der Schrittmacher besteht aus einem Steuergerät und zwei Elektroden-Sonden. „Das Steuergerät wird am unteren Rücken unter die Haut implantiert und in Höhe des dritten Lendenwirbels werden die Elektroden-Sonden positioniert und mit dem Steuergerät verbunden,“ erläutert der Chirurg. Sie konnte bereits nach drei Tagen entlassen werden. „Anfangs habe ich den Schrittmacher noch gespürt, aber das ging schnell vorbei“, ergänzt seine Frau. Die eigentliche Therapie läuft nicht wie bei anderen Stimulatoren automatisch ab, sondern wird manuell gesteuert. „Morgens und abends aktiviere ich den Neurostimulator mit einer kleinen Fernbedienung für jeweils eine halbe Stunde. Dabei ist die Muskelarbeit deutlich spürbar“, erläutert sie. Die Therapiedauer mit Stimulation und Training des Muskels ist zunächst auf zwei Jahre ausgelegt.
Auch bei den anderen operierten Patientinnen und Patienten im Alter von 30 bis 55 Jahren zeigt sich ein positives Ergebnis. Viele waren langzeitarbeitsunfähig und konnten nun endlich ihre berufliche Tätigkeit wiederaufnehmen.
Zurück ins aktive Leben
Während der Zeit, in der sie durch die Schmerzen körperlich so eingeschränkt war, wurde Antje Eichenauer durch Familie und Freunde unterstützt. Jetzt ist sie froh, wieder alles machen zu können. „Ich bin so dankbar, dass ich die Operation gemacht habe. Endlich habe ich meine Lebensqualität zurück. Ich kann Sport treiben, bin im Alltag wieder leistungsfähig“, betont sie.