Im Interview klärt Dr. med. Martin Zaum, Facharzt für Urologie, im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) für Gesundheit in Krefeld, über aktuelle Entwicklungen und Risikofaktoren auf und wie man sich schützen kann.
Warum rückt Tripper plötzlich wieder so stark in den Fokus?
Weil die Zahlen schon seit Jahren steigen. In Großbritannien wurde 2023 ein historischer Höchststand von über 85.000 Fällen diagnostiziert. Auch in Deutschland beobachten wir eine Zunahme – insbesondere bei jungen Erwachsenen zwischen 20 und 24 Jahren und Menschen mit häufig wechselnden Sexualpartnern. Das Problem ist: Tripper wird oft nicht erkannt, verläuft teilweise ohne Symptome, ist aber hochansteckend.
Der Sommer ist da, viele junge Menschen reisen, feiern, flirten. Ist das ein Risiko?
Ja. In entspannter Urlaubsstimmung - gerade in beliebten Sommer-Party-Hotspots wie Ibiza, Mallorca und auf Festivals – kommt es einfach öfter zu spontanen sexuellen Kontakten ohne ausreichenden Schutz. Alkohol und Drogen verschärfen das Risiko für sexuell übertragbare Infektionen zusätzlich.
Wie äußert sich Tripper – und warum ist die Erkrankung so tückisch?
Gonorrhö wird durch das Bakterium Neisseria gonorrhoeae ausgelöst und befällt die Schleimhäute – meist im Genitalbereich, aber auch im Rachen oder After. Männer entwickeln häufig eine Harnröhrenentzündung. Frauen bemerken manchmal vermehrten Ausfluss oder Unterleibsschmerzen – viele bleiben aber symptomlos, was die Erkrankung besonders heimtückisch macht. Wer keine Beschwerden hat, geht nicht zum Arzt – und steckt unwissentlich andere an.
Sie sehen viele Männer mit urologischen Beschwerden – wie erleben Sie Tripper in Ihrer Praxis?
Wenn Beschwerden auftreten, kommen Männer mit typischen Symptomen wie einer Rötung und Schwellung an der Harnröhrenmündung mit Schmerzen und Brennen beim Wasserlassen oder eitrigem Ausfluss.
Es gibt einen neuen Wirkstoff gegen Tripper. Was bedeutet das für die Behandlung?
Mit Gepotidacin steht ein neuer, vielversprechender Wirkstoff vor der Markteinführung in Europa. Er wirkt laut Studien gezielt gegen Gonokokken und könnte ein wichtiger Baustein sein, um resistenzbedingte Therapieversagen zu vermeiden. Vor allem oral verabreicht und bei unkomplizierten Fällen effektiv – das wäre ein echter Fortschritt. Aber wir dürfen uns darauf nicht ausruhen. Die Prävention bleibt entscheidend.
England startet eine Impfkampagne – ist das aus Ihrer Sicht sinnvoll?
Das ist ein wichtiger Schritt. Großbritannien setzt auf den Meningokokken-B-Impfstoff „Bexsero“, der ursprünglich gegen Hirnhautentzündung entwickelt wurde und offenbar auch einen gewissen Schutz gegen Tripper bietet – rund 30 bis 40 %. Das ist zwar kein perfekter Schutz, aber jede Maßnahme zur Eindämmung ist wichtig.
Gibt es auch in Deutschland Pläne für so eine Kampagne?
Noch nicht. In Deutschland wird „Bexsero“ von der Ständigen Impfkommission (STIKO) derzeit nur für bestimmte Risikogruppen empfohlen, etwa für Menschen mit Immunschwäche. Aber das Thema wird in Fachkreisen intensiv diskutiert. Wenn die Daten aus England positiv ausfallen, wäre das sicher ein Impuls, auch hier über eine Impfstrategie nachzudenken – zumindest für besonders gefährdete Gruppen wie Menschen mit wechselnden Sexualpartnern.
Tests auf Tripper und andere STI sind heute unkompliziert möglich – in Hausarztpraxen, beim Urologen oder Gynäkologen, in dermatologischen Praxen mit Schwerpunkt Venerologie, in Gesundheitsämtern sowie bei spezialisierten Checkpoints für sexuelle Gesundheit. Auch einige Apotheken und Labore bieten inzwischen anonymisierte Selbsttests an.
Ihr Fazit für die Sommermonate?
Den Sommer genießen, aber den Kopf beim Flirten nicht verlieren. STI sind vermeidbar, wenn wir uns selbst und andere schützen. Ein Test nach dem Urlaub ist keine Schande, sondern Verantwortung.