Champions League der Herzen
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25 Jahre Leipziger Herzchirurgie

Champions League der Herzen

Champions League. In dieser Liga spielt das Herzzentrum Leipzig seit Jahren. Folgerichtig orientieren sich andere Kliniken bis heute an der „Herzmedizin made in Leipzig“. Denn von hier gehen medizinische Innovationen aus. „Gründungsvater“ und Herzchirurg Prof. Friedrich Wilhelm Mohr und der aktuelle Klinikdirektor Prof. Michael Borger blicken zurück und nach vorn.

Prof. Michael Borger (l.) und Prof. Friedrich-Wilhelm Mohr prägen die Herzchirurgie am Herzzentrum Leipzig | Foto: Helios

Schon am Morgen des 4. Oktober 1994 herrschte in den OP-Sälen des Herzzentrum Leipzig hektische Betriebsamkeit. Der Ort, dem seither Hunderte Menschen ein neues Leben verdanken, sollte Stunden später feierlich eröffnet werden. Jedoch waren die Räume alles andere als klinisch rein. Noch immer gab es Restspuren der zurückliegenden Bauarbeiten. Jeder der konnte ging daher zu Werke, diesen Altar medizinischer Hochkultur zu säubern.

Sechs OP-Säle standen dem neuen Chef des Hauses, Prof. Friedrich-Wilhelm Mohr, zur Verfügung. Mohr, ein Spitzenmediziner mit internationalem Renommee, war dem Ruf Leipzigs gefolgt, schlug ein vermeintlich besseres Angebot aus München aus. Er verzichtete auf die versprochene Sicherheit, suchte stattdessen das Abenteuer. Leipzig, die Stadt des Aufbruchs sollte auch für die Herzmedizin zum Mekka werden.

Medizintechnisch befand sich das Zentrum im Oktober vor 25 Jahren längst nicht auf dem gewünschten Stand. Umso mehr waren die hier arbeitenden Menschen bereit, Großes zu vollbringen.

Prof. Friedrich-Wilhelm Mohr, Gründungsvater und langjähriger Ärztlicher Direktor des Herzzentrums Leipzig

Enormer Ehrgeiz

„Medizintechnisch befand sich das Zentrum im Oktober vor 25 Jahren längst nicht auf dem gewünschten Stand. Umso mehr waren die hier arbeitenden Menschen bereit, Großes zu vollbringen“, erinnert sich Gründungsvater Mohr. Der Startschuss dazu folgte nach einem Notfall am 10. Oktober 1994. Im Klinikum wurde ein Patient eingeliefert, der eine Aortendissektion, einen lebensgefährlichen Riss in der Gefäßwand der Hauptschlagader, aufwies. „Noch Jahre zuvor wäre das wohl sein Todesurteil gewesen“, ist der Herzchirurg überzeugt. Doch Mohr und sein Team wollten beweisen, wozu sie in der Lage waren. Sie wollten zeigen: Seht her, das Vertrauen in uns und den Standort ist gerechtfertigt!

Hohe Effizienz

Mediziner in weiß: Das Herzchirurgie-Team aus dem Jahr 2014 | Foto: Helios

Ein Vierteljahrhundert später ist die erste am Herzzentrum Leipzig durchgeführte OP Teil einer Erfolgsgeschichte. Schnell stieg der Bekanntheitsgrad der Fachklinik, wuchs die Zahl der durchgeführten Operationen von anfänglich 1.000 auf heute weit über 4.000 pro Jahr. Damit wuchs auch die Infrastruktur. Katheterlabore wurden errichtet, medizinisches Gerät beschafft, mit der Universität Leipzig ein für beide Seiten gewinnbringender Vertrag zur Zusammenarbeit unterzeichnet. „Parallel dazu sank die Zahl der Sterbefälle bei OPs in Leipzig deutlich“, freut sich Prof. Mohr.

Die hohe Effizienz bei den Operationen sorgt für den exzellenten Ruf des Hauses. Sie bringt aber auch Probleme mit sich. Das Haus steht mitten im Fachkräfte-Wettbewerb. „Wir bekommen viele Anfragen aus aller Welt von jungen Ärzten, die bei uns etwas lernen wollen. Aber das minimiert nicht den täglichen Kampf um fehlende Pflegekräfte. Deshalb setzen wir konsequent auf die Ausbildung und darauf, Kräfte im Ausland zu gewinnen”, verdeutlicht Prof. Michael Borger. Der Kanadier, 52, war ab 2001 selbst ein Schüler Friedrich-Wilhelm Mohrs. Später arbeitete er als Leiter einer Herzchirurgiegruppe in New York. Sein Traum aber blieb Leipzig. Auf Mohrs ausdrücklichen Wunsch hin bewarb sich Borger 2017 um dessen Nachfolge als Direktor der Universitätsklinik für Herzchirurgie am Herzzentrum. Prof. Mohr, der nunmehr im Ruhestand ist, sieht in Borger die perfekte Besetzung für den Leipziger Chefsessel. „Als Arzt und Mensch steht er auf höchstem Niveau“, bekennt der 67-Jährige.

Sächsische Innovationen

Als das Herzzentrum Leipzig gestartet ist, waren Operationen an der menschlichen Pumpe noch wahrlich blutige Angelegenheiten. Das gesamte Brustbein wurde eröffnet, um den Eingriff vornehmen zu können. Mittlerweile gehen die Ärzte minimal-invasiv vor. Kleine Schnitte, effektivere Prozesse, schnellere und bessere Heilungschancen. Wer hat‘s entwickelt? Einmal mehr waren es die Leipziger, die hier die neue Richtung vorgaben. Wenn Borger als Ziel ausgibt, die Nummer eins unter den Herzzentren Europas werden zu wollen, zeigt das einmal mehr das Selbstbewusstsein und den Leipziger Stolz. „Es ist nur eine Frage der Zeit“, so der Spitzenchirurg.

Für das Klinikum steigert es den Ruf und ist zugleich ein Gewinn für die Region. Es stärkt die örtliche Expertise und regionale Wirtschaft.

Prof. Michael Borger, Direktor der Universitätsklinik für Herzchirurgie

Globale Patienten

Würden sonst auch immer mehr ausländische Patienten in Leipzig behandelt werden wollen? Wohlhabende Russen, Osteuropäer oder Menschen aus dem Nahen Osten, die jederzeit nach London oder in die USA reisen könnten? Auch wenn Ausländer an der Gesamtzahl der Patienten des Herzzentrums gerade einmal fünf Prozent ausmachen, nimmt deren Interesse doch stetig zu. „Für das Klinikum steigert es den Ruf und ist zugleich ein Gewinn für die Region. Es stärkt die örtliche Expertise und regionale Wirtschaft”, bekennt Borger. Hauptauftrag bleibe jedoch die Versorgung der Patienten aus Mitteldeutschland.

Gefragte Schule

Im Jahr werden am Herzzentrum Leipzig rund 4.000 herzchirurgische Operationen durchgeführt | Foto: Helios

Deutschlandweit gibt es 80 Herzzentren, in denen zwei Dutzend der Chefsessel von Medizinern besetzt sind, die ihr fachliches Know-how in Leipzig erworben haben. Auch internationale Herzchirurgen bestätigen, dass in der Herzmedizin kein Weg an Leipzig vorbeiführt. Besonders in punkto Forschung und der anschließenden Ergebnisveröffentlichung in angesagten medizinischen Publikationen ist Leipzig in der Welt der Herzmedizin tonangebend.

Die Klinikgruppe Helios, zu dem das Herzzentrum gehört, unterstützt die Leipziger Forschungsarbeit jedes Jahr mit über einer Million Euro, fest zugesagt auf fünf Jahre. Geld, das Borger und seine Mitarbeiter unabhängig und eigenständig einsetzen dürfen. Davon profitiert auch die 2015 in Leipzig gegründete Abteilung für Strukturelle Herzerkrankung, die im sogenannten Heart Team die Expertise von Kardiologen, Chirurgen und anderen am Herzen arbeitenden Medizinern bündelt. Diese Zusammenarbeit reicht bis hinein in den OP-Saal. „Das gibt es weltweit nur einmal, und zwar hier bei uns”, hebt Michael Borger hervor.

Verglichen mit 1994 hat sich am Herzzentrum Leipzig viel getan. Nur eines ist gleich geblieben: Den hier arbeitenden Ärzten, Pflegefach- und Servicekräften geht es nur um eines, die jeweils beste Entscheidung zum Wohl der Patienten.