Kassel

„Bereue meine Entscheidung überhaupt nicht“

„Bereue meine Entscheidung überhaupt nicht“

Interview: Azubi Samuel Probst über den Pflegeberuf und Rollenklischees

In Zeiten wie diesen in den Pflegeberuf einsteigen – gibt’s nicht? Gibt es doch! Samuel Probst ist das beste Beispiel. Der 17-Jährige durchläuft als Mitglied der DRK-Schwesternschaft in den Helios Kliniken Kassel sein erstes Ausbildungsjahr, aktuell absolviert er seinen Pflichteinsatz der stationären Akutpflege auf der Station 3D. Und er habe nichts bereut, wie er im Interview verrät. Samuel war einverstanden, geduzt zu werden.


Samuel, kannst du nach den ersten Monaten bereits ein kleines Fazit ziehen?

Mir gefällt die Ausbildung. Ich bin sehr gut reingekommen. Das betrifft mehrere Aspekte. Zum Beispiel finde ich es richtig klasse, dass wir Dinge, die wir theoretisch behandelt haben, sofort praktisch umsetzen können. Und wenn wir durch eine examinierte Kraft angeleitet werden, dürfen wir sogar Tätigkeiten ausüben, die noch nicht im Unterricht thematisiert wurden. Auch das Drumherum passt, etwa die technische Ausstattung in der Schule. Wir können mit Tablets arbeiten, außerdem haben Programme und Apps beim Home-Schooling prima funktioniert.

Du hast also noch keine Krise?

Auf keinen Fall. Ich bereue meine Entscheidung überhaupt nicht.

Aber gerade durch Corona wurde noch mal deutlich, welche Belastung der Pflegeberuf mit sich bringt. Hat dich das schlechte Image nicht abgeschreckt?

Vor dem Start der Ausbildung habe ich ein Freiwilliges Soziales Jahr hier in der Notaufnahme absolviert. Die gute Zusammenarbeit im Team hat mich zusätzlich bestärkt, diesen beruflichen Weg einzuschlagen. Das Arbeiten mit und an den Menschen, sie zu unterstützen – das ist mein Antrieb. Es macht mir Spaß, für die Patienten da zu sein. Es entsteht ein absolut positives Gefühl, etwas Gutes für die Menschen zu tun.

Als männliche Pflegekraft gehörst du zur Minderheit…

Ehrlich gesagt, habe ich mir darüber nie Gedanken gemacht. Ich nehme es hier auch nicht so wahr, dass ich abgestempelt werde als Mann, der in einem typischen Frauenberuf tätig ist. Im Gegenteil: Ich bin mit offenen Armen empfangen worden.

Und was sagen Familie und Freunde zu deiner Berufswahl?

Meine Familie unterstützt mich. Meine Mutter hat gesagt, ich solle das machen, was mich glücklich macht. Im Freundes- und Bekanntenkreis gab es vielleicht mal den einen oder anderen Spruch, der aber nie beleidigend gemeint war. Ich selbst habe ja auch aus Spaß gesagt, dass ich Krankenschwester werde. Familie wie Freunde akzeptieren meine Entscheidung, und ich fühle mich bei der Arbeit sehr wohl.

Inwieweit trägt die Klinik zu deinem guten Gefühl bei?

Mir gefällt, dass das Haus nicht sooo riesig ist. Hier herrscht keine Massenabfertigung. Zudem geht es im Kollegium familiär zu, jeder kennt jeden, das sorgt für eine gute Stimmung. 

Gab es bei der Arbeit einen Punkt, an dem du an deine Grenzen gestoßen bist?

Es gab manche Frühschicht, in der wir - auch wegen Corona - personell an unsere Grenzen gestoßen sind. Da hatten wir richtig viel zu tun, an Pausen war da kaum zu denken. Aber wir haben uns immer gegenseitig unterstützt.

Gemeint waren eher Momente, in denen du dich extrem überwinden musstest.

Gerade das Versorgen von Wunden oder auch das Richten von Infusionen finde ich sehr reizvoll. So etwas macht man nicht jeden Tag. Wenn ich nicht weiterwissen oder das Gefühl bekommen sollte, dass ich manches nicht aushalte, kann ich immer um Unterstützung bitten. Solche Situationen habe ich aber noch nicht erlebt. Entscheidend ist: Die erfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind für mich da.

Wie sieht es mit positiven Momenten aus?

Da fällt mir ein Notfall auf der Station ein. Da haben wir als Team richtig gut zusammengearbeitet. Der Patient kam dann auf die Intensivstation, nach kurzer Zeit kehrte er zurück, und es ging ihm sichtlich besser. Das sind die Momente, für die du diesen Job machst.

Du kannst den Job also empfehlen?

Na klar. Es sollte nur jedem bewusst sein, dass Schichtdienst auf einen zukommt. Aktuell mache ich Früh- und Spätdienst. Ab dem zweiten Jahr kommt auch nachts eine bestimmte Anzahl an Stunden hinzu. Darüber hinaus gehören zu dem Job auch Einsätze am Wochenende, was nicht immer leichtfällt, wenn die Kumpels feiern gehen. Aber dafür macht die Arbeit hier im Haus riesigen Spaß.

Welche Pläne hast du für die Zukunft?

Noch habe ich mich nicht festgelegt, ob ich vielleicht studieren werde. Sicher ist aber, dass ich das richtige Berufsfeld gewählt habe und mir in Zukunft noch mehr Wissen rund um die Pflege aneignen möchte.

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KASSEL | ROBIN LIPKE | 21.04.2022
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Steckbrief

Name: Samuel Probst
Alter: 17 Jahre alt
Geburtsort: Kassel; aufgewachsen im Wolfhager Stadtteil Bründersen
Schule: Realschulabschluss an der Elisabeth-Selbert-Schule in Zierenberg
Wohnort: Kassel
Hobbys: Feuerwehr, Fahrradfahren