Bad Kissingen

Und für mich steht dann die Zeit kurz still…

Und für mich steht dann die Zeit kurz still…

Laura Denninger ist 25 Jahre alt. Ihre Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin am Helios St. Elisabeth-Krankenhaus Bad Kissingen macht ihr Spaß, und sie hat klare Vorstellungen zu ihrer weiteren beruflichen Laufbahn: Sie möchte Sterbende und deren Angehörige begleiten.

Frau Denninger, sind der Tod und das Sterben ein sehr präsentes Thema in Ihrer Ausbildung?

Auf jeden Fall. Zum einen durch die Arbeit auf Station. Und dann durch die Ausbildung. Unser ganzer Kurs ist mit unserer Klinikseelsorgerin, Frau Amon, extra auf eine Hütte in die Rhön gefahren, um sich für zwei Tage mit dem Tod und dem Sterben und dem Umgang damit im Stationsalltag zu beschäftigen. Und damit, was das für uns persönlich bedeutet.

Gibt es da etwas, von dem Sie sagen: Ja, das war für mich besonders wichtig, das nehme ich für mich mit, das wende ich auf den Klinikalltag an?

Ja, sogar sehr konkret. Wir haben uns einen Film angeschaut, in dem es um eine junge Frau mit der Diagnose Krebs im Endstadium ging. Sie wollte in den verbleibenden Wochen nochmals ihr Leben so richtig ausleben, ohne, dass die Angehörigen Bescheid wissen. Wir haben uns in der Gruppenarbeit die Kommunikation zwischen der sterbenden Frau, ihren Angehörigen und dem Pflegepersonal bzw. dem Arzt angeschaut, und da wurde mir persönlich nochmals richtig bewusst, wie wichtig es ist, die Angehörigen mit einzubeziehen. Natürlich ist es wichtig, den Sterbenden zu begleiten, aber letztendlich bleibt der Angehörige zurück, wenn der Patient verstorben ist.

Vor zwei Wochen gab es auf Station jemanden, der verstorben ist, und an dem Tag war noch die Ehefrau bei dem Patienten und eine Kollegin war da und hat sich für die Ehefrau des Patienten Zeit genommen. Die Ehefrau hat uns gesagt, wie gut ihr das getan hat, nochmals darüber reden zu können und die Situation geklärt zu haben.

Und da habe ich gedacht, ja, das ist es! Das muss ich noch mehr in meinen Stationsalltag einbringen, die Angehörigen begleiten, und nicht sagen: Ja, der Patient ist jetzt gestorben, das tut uns leid, müssen Sie einfach schauen, wie Sie zurechtkommen. Denn das ist keine alltägliche Situation! Deshalb sollte man sich Zeit für den Angehörigen nehmen und im Bedarf auch die Seelsorge einschalten.

Sie selbst sind ja in einem Alter, in dem man normalerweise nicht mit dem Thema Tod konfrontiert wird. Durch Ihren Beruf ist das allerdings anders. Wie verarbeiten Sie das?

Ganz schwierige Frage! Bei dem einen Fall gelingt einem das mehr als bei dem anderen. Ich hatte zum Beispiel eine Patientin, die ich bei meinem Einsatz auf dieser Station fast sechs Wochen begleitet habe, bis sie schließlich an den Folgen ihrer Erkrankung starb. Von den guten Tagen, als sie wirklich noch fit war und sich selbständig versorgen konnte bis zu dem Tag, an dem sie im Bewusstsein eingeschränkt war und schließlich gestorben ist. Zu dieser Patientin war die Bindung natürlich enger als bei jemanden, den man nur wenige Tage kennt und bei dem der emotionale Abstand dann größer ist.

Wie ich das verarbeite? Also ich hab‘ daheim tatsächlich angefangen, schon seit dem Unterkurs, ein kleines Sterbebüchlein zu schreiben. Dort trage ich meine Erfahrungen im Umgang mit dem Sterbeprozess ein. Bei manchen Patienten sammle ich mehr Eindrücke, bei anderen weniger.

Als Sie sich für diese Ausbildung entschieden haben, war Ihnen bewusst, dass Sie im Berufsalltag immer wieder mit diesem schweren Thema konfrontiert werden?

Das war mir eigentlich gar nicht so bewusst. Jeder hat ja bestimmt mal eine Krankenhausserie geguckt und gesehen, dass ein Patient verstirbt. Aber wie das dann wirklich im Alltag ist, das ist etwas ganz Anderes! Wenn ich einen Verstorbenen auffinde, ist das für mich immer ein ganz besonderer Moment. Und für mich steht dann die Zeit kurz still. Weil das so ein abstrakter, ja, ein absurder Moment ist. Ich habe den Patienten eben noch lebendig gesehen zu haben und dann plötzlich liegt er im Bett, tot, und sieht ganz anders aus. Da sieht man wirklich, dass die Seele verschwunden ist, das, was den Menschen letztlich ausmacht.

Trotz oder vielleicht gerade wegen solcher Erfahrungen möchten Sie nach Ihrem Examen in die Palliativpflege gehen. Ist das der Bereich, von dem Sie denken, dass Sie dort besonders viel geben können?

Ich bin in die Ausbildung gegangen mit dem Ziel, Menschen helfen zu können. Ich will den Sterbenden auf dem letzten Weg begleiten, und ich hoffe, dass ich ihm da noch etwas Gutes tun kann, ihm helfen kann, besser in den Tod zu kommen. Und dann eben mein neues Ziel, die Angehörigen bestmöglich zu unterstützen.

Noch eine letzte Anmerkung zum Schluss?

Ja, ich möchte noch sagen, dass ich es sehr gut finde, wenn solche Seminare zum Thema Tod in Zukunft im Rahmen der Ausbildung weitergeführt werden. Man hat die Möglichkeit, aus dem Stationsalltag rauszukommen und sich wirklich mal Gedanken drüber zu machen, was bedeutet denn der Tod für mich, wie gehe ich im Alltag damit um.

Schade ist eigentlich, dass es erst im letzten Lehrjahr stattfindet. Andrerseits haben wir natürlich jetzt schon Erfahrung gesammelt, und konnten uns während des Seminars vorstellen, in welcher Situation jetzt das Eine oder das Andere angewendet werden könnte. Das hätte im ersten Lehrjahr sicher nicht so gut funktioniert.

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BAD KISSINGEN | 07.05.2020