Rückenschmerzen? Nicht immer ist es die Bandscheibe!
Zerbst/Anhalt
Christiane Hildebrandt
Nicht immer muss ein Bandscheibenvorfall Ursache starker Rückenschmerzen sein.
Sogar, wenn die MRT-Bildern Bandscheibenvorfälle zeigen, können die Beschwerden ihre Ursache in einem verkürzten Muskel haben, der durch seine Lage die typischen Ischiasschmerzen bewirkt. Über das Piriformis-Syndrom informieren Désirée Meinl, Fachärztin für Orthopädie, Unfallchirurgie, Sportmedizin und Wirbelsäulenerkrankungen und Beatrice Schönwälder, Physiotherapeutin in der Helios Klinik Zerbst/Anhalt. Übungen für zuhause, die den Muskelbereich entspannen, können Interessierte zudem online nachlesen.
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Einseitig stechende Gesäßschmerzen, die sich im Sitzen verstärken und teilweise in die Rückseite des Oberschenkels bis in den Fuß ausstrahlen. Die Schmerzen verstärken sich beim Laufen und Treppensteigen. Betroffene klagen über Ischias-Schmerzen. Es handelt sich eindeutig um einen Bandscheibenvorfall!? Nicht unbedingt, weiß Désirée Meinl, Fachärztin für Orthopädie, Unfallchirurgie, Sportmedizin und Wirbelsäulenerkrankungen.
Obwohl auf MRT-Bildern Bandscheibenvorfälle häufig zu sehen sind, kann die Ursache der Beschwerden auch eine im Piriformis-Muskel zu finden sein.
Dieser birnenförmige Muskel liegt verborgen unter dem großen Gesäßmuskel (Musculus Gluteus) und verbindet Kreuzbein und Oberschenkel. Normalerweise ist er wie alle Muskeln weich und dehnbar. Verspannt er jedoch und verkürzt sich, wird er dick und hart und übt so Druck auf den direkt darunterliegenden Ischiasnerv aus.
Die Schmerzen beim Piriformis-Syndrom können durchaus einen Bandscheibenvorfall vortäuschen.
Désirée Meinl, Fachärztin Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie, Sportmedizin und Wirbelsäulenchirurgie
„Die Schmerzen beim Piriformis-Syndrom können durchaus einen Bandscheibenvorfall vortäuschen. Eine umfassende Anamnese und Untersuchung des Patienten ist hier für die exakte Diagnose besonders wichtig“, weiß Désirée Meinl. “Hier arbeiten wir besonders eng mit unseren Kolleginnen in der Physiotherapie zusammen. Durch ihre Expertise konnten wir gemeinsam mehrfach den Verdacht auf einen Bandscheibenvorfall widerlegen. Patienten blieb dadurch eine unnötige Operation erspart.“
Frauen und Jogger häufiger betroffen
Die Verkürzung des Piriformis-Muskels wird durch eine einseitige Belastung verursacht, beispielsweise durch dauerhaftes Sitzen (Büroarbeit). Werden beim Sitzen die Beine übereinandergeschlagen, verstärkt sich der Effekt zusätzlich.
Aber auch falsche Bewegungsmuster, etwa die falsche Technik beim Joggen oder das falsche Schuhwerk, verhärten den Muskel. „Und die Brieftasche sollte man(n) auch nicht in der Gesäßtasche tragen“, rät Désirée Meinl schmunzelnd.
Therapiemöglichkeiten beim Piriformis-Syndrom
Ist der Piriformis-Muskel als Verursacher der Schmerzen diagnostiziert, helfen manuelle Therapie und ergänzend Ultraschallbehandlungen, um den Muskel wieder zu entspannen.
Physiotherapeuten behandeln dabei neben dem Piriformis-Muskel auch Gelenke und weitere Muskelgruppen wie den Musculus Gluteus.
„Wir betrachten unsere Patienten ganzheitlich und mobilisieren zunächst das Iliosakralgelenk (ISG) und die Lendenwirbelsäule. Erst wenn die Gelenke frei sind, kommen wir an den Muskel“, erklärt Physiotherapeutin Beatrice Schönwälder. Sind die Schmerzen des Patienten stärker, können auch Schmerzmittel, Muskellockernde Medikamente (Muskelrelaxantien) oder eine lokale Injektion in den Muskel kurzfristig Linderung schaffen. Einseitige Belastungen sollten jedoch künftig vermieden und falsche Bewegungsmuster korrigiert werden.
„Am wichtigsten ist es, den Muskelbereich regelmäßig zu entspannen, um einer Verkürzung und Verhärtung frühzeitig entgegenzuwirken. Hierfür gibt es einige einfache, aber effektive Übungen, die jeder zuhause durchführen kann“, empfiehlt die erfahrene Physiotherapeutin.
„Bei starken oder dauerhaften Schmerzen im Rückenbereich sollten Betroffene aber bitte einen Arzt oder eine Praxis für Physiotherapie aufsuchen“, betont Beatrice Schönwälder.