Frau Priv.-Doz. Dr. Nachtigall, womit rechnen Sie in diesem Herbst? Wird es eine neue Welle geben?
Priv.-Doz. Dr. Irit Nachtigall: Wir rechnen mit einer saisonalen endemischen Welle mit Corona-, Respiratorische-Synzytial-Virus- (RSV) und Influenzainfektionen. Es besteht bei Corona inzwischen durch Impfung und Erkrankungen eine gute Grundimmunisierung in der Bevölkerung, sodass bei den aktuell zirkulierenden Varianten nach derzeitigen Stand nur mit einer sehr niedrigen Anzahl schwerer Verläufe zu rechnen ist.
Wie bereiten Sie sich darauf vor?
Durch die Erfahrungen der vergangenen Jahre können wir uns schnell auf sich verändernde Infektionslagen einstellen. Wir hatten in der Vergangenheit auch während der Höhepunkte der Erkrankungswellen nie die Kapazitätsgrenzen im System erreicht. Daher sind wir zuversichtlich, dass auch bei steigenden Inzidenzen die Lage gut zu beherrschen ist.
Wie gelingt es, einen Überblick zu bewahren und Schutzmaßnahmen zu ergreifen, wenn keine Testungen mehr erfolgen und viele Menschen asymptomatisch sind?
Corona hat seinen Schrecken verloren, da die Krankheit nicht mehr bei so vielen Menschen so schwer verläuft und zudem ein hoher Prozentsatz geimpft ist. Deswegen muss man auch nicht mehr so drastische Maßnahmen ergreifen. Aber die Zahlen werden in Deutschland überwacht und je nach Entwicklung können wieder Maßnahmen ergriffen werden.
Was empfehlen Sie im Hinblick auf Auffrischungsimpfungen?
Wir halten uns an die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO), die vorsehen, dass Personen mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf – unter anderem Personen ab 60 Jahre – sowie Personen mit erhöhtem SARS-CoV-2-Infektionsrisiko zukünftig weitere Auffrischungsimpfungen – in der Regel im Mindestabstand von zwölf Monaten zur letzten Impfung oder Infektion – erhalten, vorzugsweise im Herbst.
Sollen sich Personen, die vor kurzem Corona hatten, trotzdem impfen lassen?
Es ist bekannt, dass eine vergangene Infektion bereits Schutz bietet vor einem schweren Verlauf. Allerdings ist insbesondere für Risikogruppen noch besser, sich nach einer Weile – vermutlich nach mehr als drei Monaten – nochmal impfen zu lassen, weil es dann einen noch umfassenden Schutz gibt.