Ein Leben lang hat Erika L. ihre Pflicht erfüllt. Als Mutter, Ehefrau und im Beruf. Erika L. war mit ihrem Dasein durchweg zufrieden. Es sorgte für reichlich Glücksmomente, schien in geordneten Bahnen zu laufen. Umso mehr freute sie sich auf die kommende Rente. Den Herbst des Lebens gemeinsamen mit der Familie zu verbringen, darauf hatte sich die 65-Jährige schon lange gedanklich vorbereitet.
Das Erwachen aus diesem schönen Traum jedoch war heftig. Wenige Tage vor dem Erreichen des Ruhestandes erfuhr die sonst lebenslustige Frau, dass ihr Mann, mit dem sie über 40 Jahre Ehe verband, bereits seit Jahren eine Affäre unterhält. Noch härter aber traf sie der Umstand, dass aus dieser Beziehung ein Kind hervorging. Erika L. wusste sich keinen anderen Rat. Mit Schlaftabletten und Rotwein versuchte L. ihrem Leben ein Ende zu setzen.
Seit zwei Wochen ist Erika L. auf einer geschlossenen Station der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Helios Park-Klinikums untergebracht. In den ersten Tagen erhält sie Medikamente, die in einer solchen seelischen Notsituation kurzfristig elementar wichtiger Bestandteil der Behandlungsstrategie sind, sagt Anja Klein, Fachtherapeutische Leiterin des Hauses. Doch viel wichtiger sei, die Patienten schnell wieder aufzufangen, eine Struktur im Leben und Halt zu geben.
Erwachsene, Jugendliche, Kinder – jede Altersgruppe kann ein dermaßen seelischer Schmerz treffen, dass eine vorübergehende Einweisung in die Psychiatrie erwogen wird. Die Ursachen sind vielschichtig: beruflicher Stress, Überlastung mit den Anforderungen des Alltags, private Probleme, für die man keinen Ausweg sieht, Depressionen, Angststörungen, Demenz. „Unsere Aufgabe ist es, mithilfe eines individuell erstellten Therapieplanes jedem einzelnen Patienten eine Rückkehr in einen geordneten Alltag zu ermöglichen”, erläutert Anja Klein. Viele Patienten, fügt sie an, hätten zum Zeitpunkt der Einweisung bereits die einfachsten Dinge des Lebens verlernt. Teils unbeholfen fristen sie in einem Schattendasein, fernab von Lebensfreude und Wagemut.
Die ersten Schritte aus diesem schwarzen Loch sind klein, und dennoch bedeutsam. Auch für Erika L. beginnt jeder Tag mit einem begleiteten Morgenspaziergang. Dieses Ritual zwingt die Patienten, sich einer neuen Herausforderung zu stellen, das Bett zu verlassen, Sonne und Wind im Gesicht zu spüren. Der gesamte Tagesablauf auf einer psychiatrischen Abteilung ist klar strukturiert. „Die Patienten erhalten individuelle Wochenpläne, die ihnen helfen, sich zu orientieren”, erläutert Klein. Ergotherapie, beginnend beim kreativen Arbeiten mit verschiedenen Materialien und Techniken, Gedächtnistraining, Alltags- und Achtsamkeitstraining oder Arbeits- und Belastungstraining, aber auch Sporttherapie zur Steigerung der Aktivität und Förderung des Selbstbewusstseins sowie Kunst-, Musik-, Tanz- und Physiotherapie sind Bausteine, auf denen die Behandlung basiert. Ein komplexes Konstrukt mit einem gemeinsamen Ziel.
90 Mitarbeiter, verteilt auf sieben Teilbereiche am Standort Leipzig und den Außenstationen Torgau, Wurzen und Borna, gehören dem Therapeutenteam des Zentrums für Seelische Gesundheit des Helios Park-Klinikums an. Ihre Aufgabe ist es, gemeinsam mit den Patienten deren Schwächen zu erkennen, zu deuten, zu lernen, damit umzugehen. „In erster Linie ist unser Beitrag die Hilfe zur Selbsthilfe, denn der Experte, das Problem zu lösen, ist und bleibt der Patient selbst”, verdeutlicht Anja Klein, der die Leitung der Fachtherapie im Juni 2020 übertragen wurde. Alle hierfür angebotenen Therapieformen seien kompetenzzentriert und setzten langfristig heilsame Veränderungsprozesse in Gang. Am Ende, sagt sie, stünden ein gestärktes Selbstwertgefühl und die Wiederkehr des Selbstbewusstseins. Eng vernetzt ist das Team bei seiner Arbeit jederzeit mit betreuenden Ärzten, Pflegern, Psychologen und dem Sozialdienst.
Durchschnittlich verbleiben die Patienten drei Monate in der Klinik. Der Einsatz von Medikamenten, betont Klein, sei während dieser Zeit das letzte Mittel. Nach rund zwölf Wochen wird auch Erika L. das Klinikum wieder verlassen dürfen. Um ihren künftigen Lebensweg zu meistern, nutzt sie im Verlaufe der Behandlung auch das Angebot einer Gesprächstherapie, an der sie und ihr Ehemann gemeinsam teilnehmen. Wohin für L. die Pfade einmal führen, ist ungewiss. Fest steht aber, dass sie dank fachkundiger Betreuung die Freude am Leben wiederfinden und bereit sein wird, dessen Herausforderungen anzunehmen.
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