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Herztransplantationen sind niemals Routine

Dr. med. Alexey Dashkevich ist Leitender Oberarzt und Bereichsleiter des Herztransplantations- und Kunstherz-Programms am Herzzentrum Leipzig. Hier werden jährlich rund 30 Herzen und 50 Kunstherzen transplantiert. Zum Tag der Organspende am 3. Juni gewährt er einen Einblick in seinen Arbeitsalltag, in die gesellschaftlichen Umstände und besonderen Herausforderungen der Transplantationsmedizin.
02. Juni 2023

„Eine Herztransplantation ist ein Marathon und die Operation selbst ist dabei eigentlich nur eine kurze Trinkpause. Das Ganze beginnt Monate davor und dauert auch danach hoffentlich noch lange“, erklärt PD Dr. med. Alexey Dashkevich. Vor zwei Wochen hat er zuletzt gemeinsam mit seinem Team am Herzzentrum erfolgreich ein Herz transplantiert. Der knapp über 60-jährige Patient hatte vor einem halben Jahr wegen akutem Herzversagen ein Kunstherz bekommen und wurde daraufhin auf die Hochdringlichkeitsliste gesetzt. Einen Monat später konnte er transplantiert werden. Dies repräsentiere jedoch nicht die tatsächliche durchschnittliche Wartezeit von Patient:innen auf ein Spenderorgan. Selbst bei der Hochdringlichkeitsstufe beträgt die durchschnittliche Wartezeit auf das lebensrettende Organ in Deutschland derzeit sechs Monate.

Welche Patient:innen werden von Ihnen im Herztransplantations(HTX)- und Kunstherz(VAD)-Programm behandelt?

Ich behandele Menschen mit terminaler Herzinsuffizienz, für die alle anderen Behandlungsmöglichkeiten bereits ausgeschöpft sind. Das bedeutet, dass ihr Herz gerade noch jene Leistung erbringt, um sie am Leben zu halten. Eine nötige Sauerstoffversorgung anderer Organe findet allerdings nicht mehr im ausreichenden Maße statt. Dann wird ausführlich evaluiert, ob eher eine Herztransplantation oder ein Kunstherz für sie infragekommt. Da in Deutschland ein akuter Organmangel herrscht und es bei uns oft sehr schnell gehen muss, wird als vorübergehende Lösung häufig ein Kunstherz eingesetzt. Eine Dauerlösung kann das jedoch nicht für jeden Patienten oder jede Patientin sein. Deshalb kommt es oft zu Überschneidungen zwischen Wartenden, jenen, die ein Kunstherz bekommen und jenen, bei denen ein Ersatzherz transplantiert wird. Immer mehr Patient:innen müssen im ersten Schritt mit einem Kunstherz versorgt werden, bis sie dann später transplantiert werden können. Die Zeit, die schwerst kranke Patient:innen mit einem Kunstherzen überleben, liegt aktuell in Leipzig bei durchschnittlich acht Jahren. Das ist auch im internationalen Vergleich sehr lang. Das zeigt zwar einerseits, wie gut die Systeme mittlerweile sind, aber andererseits werden so auch die Hintergründe deutlich, dass wir bei weitem nicht genügend Spenderherzen haben.

Was macht die Transplantationsmedizin für Sie besonders?

Besonders und anspruchsvoll ist dieser Fachbereich für mich, weil hier Patient:innen behandelt werden, die meist am Ende ihrer Therapiekarriere sind. Das Gute ist aber, dass man dann immer noch eine Option hat und weiß, dass man diesen Menschen trotzdem noch helfen kann, und das mit guten Ergebnissen.

Herztransplantationen sind niemals Routine

Wie viele Transplantationen haben Sie in Ihrer Laufbahn bereits vorgenommen?

Ich bin seit 15 Jahren im Geschäft und habe vorher in einer Klinik gearbeitet, in der insgesamt bis zu 30 Herzen und 100 Lungen jährlich transplantiert wurden. Viele davon habe ich selbst auch chirurgisch begleitet, also ergibt sich eine erhebliche Zahl. In meinen zwei Monaten hier am Herzzentrum liegt die Zahl bei vier Transplantationen und meine letzte war an Himmelfahrt.

Ist eine Herztransplantation für Sie Routine?

Herztransplantationen sind niemals Routine. Drumherum passiert so viel Spannendes und Herausforderndes, wie beispielsweise die Logistik. Außerdem läuft häufig etwas anders, als man es geplant hat, weil so viel koordiniert werden muss und die Patient:innen sehr verschieden sind. Auch die Tatsache, dass wir aktuell deutlich mehr Menschen mit einem Kunstherzen ein Ersatzherz transplantieren, macht die Operation noch herausfordernder.

Wie lange stehen Sie durchschnittlich bei einer Transplantation im OP und wie bereiten Sie sich auf lange Tage im OP vor?

Die Operationszeit variiert zwischen vier und zwölf Stunden, je nach Vorbereitung und Komplexität des Eingriffs. Sich kurzfristig auf eine Herztransplantation vorzubereiten, das funktioniert nicht. Das ist jahrelanges Training. Grundsätzlich sind Chirurgen vorkonditioniert, was lange OP-Zeiten angeht. Wir sind gut trainiert und machen das eigentlich jeden Tag. Zudem macht man eine Operation niemals alleine, sondern immer in einem Team, in dem man sich aufeinander verlassen kann.

Worin finden Sie einen Ausgleich zu dem herausfordernden Job?

Den finde ich vor allem bei meiner Familie und meinen Freunden. Definitiv braucht man auch Abstand zur Klinik. Was mich aber auch innerhalb der Klinik gut ablenken lässt, ist die Forschungsarbeit.

Fiebern Sie mit Ihren Patient:innen mit?

Ja, definitiv. Man sieht die Patient:innen jeden Tag auf Station und leidet mit ihnen, wenn wochen- oder monatelang kein Organangebot kommt. Zumal sie einen jeden Tag fragen, ob es ein Herz für sie gibt und man sie immer wieder vertrösten muss. Wenn dann ein Anruf wegen eines potenziellen Spenderherzens kommt, freut man sich natürlich sehr – erst recht, wenn das angebotene Herz optimal ist. Wenn die OP dann auch gut verläuft, ist man sehr glücklich. Da man seine Patient:innen über einen längeren Zeitraum kennt, ist es trotz der Bemühung um eine berufliche Distanz schwer, nicht mitzufiebern.

Wie blicken Sie auf die aktuelle Organspendesituation?

Die Spenderzahl ist hierzulande sehr niedrig. Ein wesentlicher Grund hierfür ist, dass Deutschland eines der wenigen europäischen Länder ist, in dem nicht die Widerspruchslösung, sondern die Zustimmungslösung, Gebrauch findet. Ich möchte deshalb in Erinnerung rufen, dass jeder und jede Einzelne für seine Zustimmung selbst zuständig ist. Diese Chance sollte unbedingt wahrgenommen werden, weil zum einen jeder von uns in die Lage kommen kann, selbst auf ein Spenderorgan angewiesen zu sein und weil zum anderen derzeit nur ca. die Hälfte aller wartenden Patient:innen ein Herz bekommt. Zehn bis 15 Prozent versterben während der Wartezeit aktuell in Deutschland jedes Jahr.

Anlässlich des Tages der Organspende 2023 hat der MDR Priv. Doz. Dr. med. Dashkevich und unseren Transplantationspatienten Herrn Scholz zum Thema Herztransplantation interviewt. Die Folge wird am Samstag, dem 03. Juni, ab 19:00 Uhr bei Sachsen-Anhalt heute und anschließend noch eine Woche in der ARD-Mediathek zu sehen sein.