
Es begann alles ganz harmlos, mit einem Solarium-Gutschein von einer Bekannten. „Eigentlich hielt ich nicht viel davon“, erinnert sie sich. Doch nach dem ersten Besuch auf der Sonnenbank wurde das Verlangen schnell immer größer. „Die Strahlen milderten die chronischen Schmerzen in meinem Unterarm. Das hatten bisher nur Tablette geschafft“, beschreibt Kegel die lindernde Wirkung auf ihre Psoriasis-Arthritis, eine Schuppenflechte, die die Haut befällt und zu einer Entzündung der Gelenke führt.
Innerhalb kurzer Zeit steigerte sich die Anzahl der Solarium-Besuche. Mit 65 Jahren war die gelernte Gesundheits- und Krankenpflegerin dann bis zu zweimal täglich jeweils 20 Minuten auf der Sonnenbank. „Ich stand morgens früh vor dem Eingang des Solariums und konnte es kaum abwarten, mich auf die Sonnenbank zu legen. Das ging sogar so weit, dass manche Betreiber mich schon gar nicht mehr reingelassen haben“, erinnert sich Kegel an die Zwänge ihrer Sucht. „Aufgehalten hat mich das nicht. Dann bin ich eben zu einem anderen Studio gefahren.“
Neidisch auf die Bräune
Das war nicht nur ungesund, sondern auch teuer: Mehrere Tausend Euro ließ Kegel im Solarium. Ihre geschädigte Haut behandelte sie mit mehr als 3.000 Tuben Brandsalbe. „Die Rötungen und Verbrennungen meiner Haut habe ich damals ignoriert. Bei schiefen Blicken oder negativen Kommentaren dachte ich immer: Die sind ja nur neidisch auf meine schöne Bräune.“ Denn wie bei einer Magersucht ist die Selbstwahrnehmung bei Tanorexiern gestört. Viele Betroffene sehen sich als blass, obwohl ihre Haut bereits übermäßig gebräunt ist.
Erst als die Mühlheimerin mit der Diagnose Basalzellkarzinom, sogenanntem weißen Hautkrebs, konfrontiert wurde, kam der Wendepunkt. Hilfe fand sie bei Prof. Dr. Alexander Kreuter, Chefarzt der Dermatologie, Venerologie und Allergologie und Leiter des Hauttumorzentrums der Helios St. Elisabeth Klinik Oberhausen. „Natürlich gibt es auch positive Eigenschaften von Sonnenlicht, wie die Anregung der Vitamin-D-Produktion. In der medizinischen Therapie imitieren wir sogar eine bestimmte Form des Lichts mit speziellen, sehr präzisen Bestrahlungsgeräten“, betont der Chefarzt, warnt aber: „Ein Übermaß an ultravioletter Strahlung führt jedoch zu tiefgreifenden Hautschäden und erhöht nachweislich das Hautkrebsrisiko.
In der Dermatologie haben wir häufig mit Verbrennungen zu tun, die auf Solarien zurückzuführen sind.“ Der Grund: Oft ist die Dosierung der Strahlung auf den Sonnenbänken zu hoch eingestellt, es wird eine gefährliche Mischung aus UV-A- und UV-B-Licht eingesetzt oder Nutzer tragen vor dem Sonnenbaden noch extra Körperöl auf. Das intensiviert zwar die Bräunung, aber auch gleichzeitig die Hautschädigung. Studien konnten belegten, dass besonders junge Menschen gefährdet sind: Wer unter 35 Jahre alt ist und nur einmal im Monat unter die Sonnenbank geht, verdoppelt sein Risiko, an Hautkrebs zu erkranken.