Mehr Freiheit durch die mobile Dialyse © Foto: Christian Fischer
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Unabhängigkeit

Mehr Freiheit durch die mobile Dialyse

Bei schönem Wetter spontan in den Urlaub fahren? Für Dialysepatienten ist das praktisch unmöglich. Dr. Jürgen Bohn wollte diese Einschränkung nicht länger hinnehmen. Dank einem besonderen Dialysegerät und seinem technischen Geschick kann er nun trotz Dialysepflicht auf längere Reisen gehen.

Stolz sitzt Dr. Jürgen Bohn, ehemaliger Thüringer Minister für Wirtschaft und Technik und promovierter Ingenieur, in seinem Bus und zeigt seinen selbst konstruierten Behandlungsplatz. Eine Stange an der Decke dient ihm als Halterung für Infusionslösungen und Beutel mit Dialyseflüssigkeit. Auf einem Hocker liegen Schlauchsysteme und Punktionsnadel bereit. Im Zentrum: ein handliches Dialysegerät und eine Starterbatterie. Beides ermöglicht ihm, sich auch unterwegs und ohne Stromanschluss zu dialysieren. „Das ist die absolute Mobilität“, sagt er.

Gerade die Mobilität ist es, die viele Dialysepatienten vermissen. Für die Hämodialyse, die häufigste Form der Dialyse, werden die Patienten an ein Dialysegerät angeschlossen. Es übernimmt die wichtigsten Funktionen der geschädigten Nieren und filtert die Schadstoffe aus dem Blut. Für diese Behandlung müssen die Patienten in der Regel dreimal pro Woche für vier bis sechs Stunden in ein Dialysezentrum.

27 Kilogramm für Mobilität

Mann in Van mit Dialysematerial
Diesen Bus hat Bohn zum rollenden Behandlungsplatz umgebaut. Das Dialysegerät ist mit der Starterbatterie kombiniert | Foto: Christian Fischer

Ein besonderes Dialysegerät von Fresenius Medical Care bietet Patienten nun die Möglichkeit, sich nicht nur zu  Hause selbst zu behandeln, sondern auch unabhängig zu reisen. Das mobile Gerät bringt nur 27 Kilogramm auf die Waage. Deutschlandweit sind bislang etwa 20 Dialysepflichtige auf das neue Gerät umgestiegen. Fünf von ihnen sind wie auch Dr. Bohn Patienten in Erfurt.

Dr. Christoph C. Haufe, Chefarzt und Nephrologe im Helios Klinikum Erfurt, ist von dieser medizintechnischen Weiterentwicklung überzeugt. „Bei der Heim-Hämodialyse sind die Patienten flexibel und können sich auch am Wochenende dialysieren. Die meisten fühlen sich dadurch insgesamt fitter“, sagt er.  Allerdings: „Die Heimtherapie erfordert ein hohes Maß an Eigenverantwortung, da kein Dialysepersonal zur Verfügung steht. Dieser Aspekt und der Respekt davor, sich selbst zu punktieren, schrecke nach wie vor viele Patienten ab“, erklärt Dr. Haufe.

Bei der Heim-Hämodialyse sind die Patienten flexibel und können sich auch am Wochenende dialysieren. Die meisten fühlen sich dadurch insgesamt fitter.

Dr. Christoph C. Haufe, Chefarzt und Nephrologe | Helios Klinikum Erfurt

Hohes Maß an Eigenverantwortung

Mann vor Van
Dr. Jürgen Bohn, ehemaliger Thüringer Minister für Wirtschaft und Technik, genießt es, trotz seiner Erkrankung auf Reisen gehen zu können | Foto: Christian Fischer

Auch Dr. Bohn hatte zunächst Respekt vor der Selbstpunktion mit der zwei Zentimeter langen Nadel. „Ich habe es dann einfach gemacht. Es tut nicht weh! Inzwischen ist es Routine geworden.“ Seit drei Jahren ist er dialysepflichtig. Mit Eintritt in den Ruhestand verstärkte sich der Wunsch nach Unabhängigkeit. In einem Magazin las er von einem anderen Dialysepatienten, der mit dem Wohnmobil die Welt bereist. „Das wollte ich auch.“ Mit Unterstützung durch das Team um Chefarzt Haufe hat er den richtigen Umgang mit dem Dialysegerät gelernt und therapiert sich seit Februar 2020 zu Hause.

Der promovierte Ingenieur hat sein Dialysegerät mit einer Starterbatterie kombiniert. Sie liefert problemlos die nötige elektrische Energie für zwei Dialysen. „Wenn ich länger wegfahren will, nehme ich meinen Hänger mit. Dann habe ich genug Platz, um die nötigen Materialien für 14 Tage Urlaub zu verstauen. Bei schönem Wetter lade ich die Batterie über Solarpanels auf dem Dach des Busses auf“, erklärt Dr. Bohn begeistert.

Sein Motto lautet: „Nicht leben, um zu dialysieren, sondern dialysieren, um zu leben.“ Die Flexibilität ist für ihn der große Vorteil der Heimdialyse und durch die vierte Dialyse am Sonntag fühlt er sich tatsächlich fitter als zuvor. „Wenn ich einmal im Vierteljahr zur Referenzdialyse ins Nierenzentrum muss, kann ich nach der Behandlung noch selbst nach Hause fahren. Das wäre früher unmöglich gewesen“, sagt er. „So bleibt mir mehr Energie, um spontan mit meiner Frau ins Grüne zu fahren.“