Was ist geschlechterspezifische Medizin?
Gendermedizin, oder besser „geschlechterspezifische oder –sensible Medizin“ betrachtet in der Vorsorge, Diagnose und Behandlung sowohl das biologische als auch das soziokulturelle Geschlecht der Patient:innen. Also nicht nur die körperlichen Unterschiede zwischen Mann und Frau, sondern auch kulturelle, gesellschaftliche und psychologische Faktoren, die einen Einfluss auf unsere Gesundheit haben können.
„Es gibt eine ganze Reihe an Erkrankungen, bei denen die Unterschiede stark im Vordergrund stehen“, bestätigt Prof. Dr. Sandra Eifert. Sie ist Oberärztin in der Universitätsklinik für Herzchirurgie im Herzzentrum Leipzig.
So gibt es Krankheiten, die stellen sich bei Frauen anders dar als bei Männern, die Symptome entsprechen zuweilen nicht den Erwartungen der Mediziner:innen. Wird dann die tatsächliche Erkrankung zu spät oder gar nicht erkannt, kann dies ungewollte Folgen haben.
Klischees und Vorurteile bezogen auf Mann und Frau
Auch bestimmte Klischees, Vorurteile oder Stereotype, also Erwartungen, wie sich Frauen oder Männer typischerweise verhalten, können gesundheitliche Nachteile für die verschiedenen Geschlechter bedeuten. Das ist mit dem Begriff „Gender-Bias" gemeint. Die Menschen verschiedener Geschlechter werden teilweise anders wahrgenommen, als es sich tatsächlich darstellt.
Beispielsweise gelten Frauen gemeinhin als ängstlicher und empfindlicher als Männer. Das kann dazu führen, dass bei einer Frau Schmerzen von den Ärzt:innen weniger ernst genommen oder sogar der Psyche zugeschrieben werden. Männer hingegen werden als belastbarer angesehen. Hat der männliche Patient Schmerzen, wird er in der Regel direkt auf körperliche Beschwerden untersucht.
Mann und Frau: Der biologische Unterschied
Männer und Frauen haben meist unterschiedlich viel Muskelmasse, das Körperfett sowie der Wasseranteil im Körper sind anders verteilt und ihre Organe sind nicht gleich groß, Nieren und Leber arbeiten bei Frauen anders als bei Männern.
Hinzu kommen die Hormone. Die Östrogene spielen eine große Rolle im Körper der Frau, das Testosteron vor allem beim Mann. Sie haben Einfluss auf den Stoffwechsel und viele weitere Funktionen im Körper.
Diese geschlechtsspezifischen Unterschiede sind genetisch bedingt. Dabei steuern die Gene auf dem Geschlechtschromosom X, das bei Frauen zweimal und bei Männern nur einmal vorhanden ist, die Hirn-, Herz- und Immunfunktion sowie die Bildung der Sexualhormone. Die Gene auf dem Y-Chromosom, das normalerweise nur Männer haben, dienen ausschließlich der Sexualfunktion.
Durch diese ungleichen biologischen Voraussetzungen reagieren auch die Körper der beiden Geschlechter nicht immer gleich, zeigen andere Symptome bei Krankheiten, auch die Wirkung von Medikamenten kann unterschiedlich sein.
„Es äußern sich beispielsweise neurologische und psychische Erkrankungen bei Frauen und Männern unterschiedlich. Aber auch Schmerzen werden anders wahrgenommen, da Schmerz östrogenabhängig ist, haben Frauen ein stärkeres Schmerzempfinden als Männer“, ergänzt Sandra Eifert.