Computerspiele mit Nebenwirkungen © Foto: Canva
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Wie verändert sich der Körper?

Computerspiele mit Nebenwirkungen

Nach dem Fernsehen zählt bei den Jugendlichen das Gaming zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen. Virtual Reality, 3D und hochauflösende Displays machen die unterschiedlichen Spielwelten realitätsnäher und vielfältiger.

Aber mit welchen Folgen? Dr. Kai Siedler, Chefarzt der Kinder- und Jugendmedizin im Helios Klinikum Pforzheim gibt Antworten.

Krankheiten oder körperliche Veränderung durch zu viele Videospiele

Illustration eines jungen Mannes, der auf Handy blickt.
Immer mehr Menschen starren auf ihre Smartphones | Illustration: Helios

Motion Sickness/GamingSickness: Die Reisekrankheit des Computerspielers

Etwa zehn bis 50 Prozent der Gamer sind zu unterschiedlichen Graden davon betroffen. Es treten Schwindel, Unruhe, Übelkeit, Kopfschmerz oder schneller Herzschlag auf. Begründung: Das Gehirn wird durch widersprüchliche Informationen verwirrt: Das Auge nimmt eine Bewegung wahr und meldet es dem Gehirn. Die Flüssigkeit in den semizirkulären Kanälen des Innenohrs, die Körperbewegungen registriert, meldet aber zurück: Nö, da ist gar nix. Wegen der widersprüchlichen Infos denkt das Gehirn, man halluziniere und sei vergiftet. Durch den Brechreiz will das Gehirn den Körper von den (nicht vorhandenen) Giften befreien.

„Fear of Missing out“ (FOMO): Die Angst, etwas zu verpassen

Der ständige Online-Modus der Computerspiele führt dazu, dass sich die Spielwelt immer weiterentwickelt, auch wenn man selbst gerade gar nicht spielt. Jugendliche, die unter dem FOMO-Symptom leiden, sind oft unkonzentriert und abgelenkt. Das Problem dieser Angsterscheinung ist, dass die Jugendlichen selbst mit Zugang zu Internet oder Spielen nicht zufriedener werden, weil sie ihr Spielideal niemals erreichen können.

Schmerzhafte Handgelenksentzündung (Karpaltunnelsyndrom)

Die Nerven und Sehnen laufen am Handgelenk durch einen schmalen Kanal im Knochen, der sie vor äußeren Gefahren schützt. Wird das Handgelenk ständig abgeknickt, kann das die Hüllen der Beugesehnen entzünden. Sie werden dicker und üben in dem engen Kanal übermäßigen Druck auf den Medianus, den Handnerv, aus. Das Resultat ist ein starker Schmerz, der sich bis zum Ellbogen und in die Schulter ziehen kann. Außerdem kann es zu Taubheitsgefühlen in den Fingern kommen.

Schulter- und Nackenverspannungen, Fehlhaltungen der Brustwirbelsäule

Diese können vermieden werden, wenn man eine Tastatur ohne Nummernblock und Pfeiltasten verwendet. Die kurzen Tastaturen erlauben dem Arm, der die Maus bedient, ein deutlich größeres Bewegungsfeld, weil der Arm in seiner natürlichen Position ist. Untersuchungen zeigen, dass im Gehirn von Computerspielsüchtigen ähnliche physiologische Prozesse ablaufen wie unter Alkohol- oder Drogeneinfluss. So reagiert das Belohnungszentrum eines Computerspielsüchtigen auf einen Screenshot seines bevorzugten Games ähnlich wie das eines Alkoholikers auf den Anblick seines Lieblingsgetränks.

Computerspiele haben auch positive Effekte!

Sehkraft:

Menschen, die fünf bis 15 Stunden pro Woche mit Actionspielen verbringen, haben eine bessere Sehfähigkeit. Sie können kleine Details besser erkennen und mehr Graustufen unterscheiden als Nichtspieler.

Konzentrationsfähigkeit:

Die Neurowissenschaftlerin Daphne Bavelier hat in einer Studie nachgewiesen, dass Gamer besser kognitive Widersprüche auflösen und bewegten Objekten besser folgen können.

Aufmerksamkeit:

Gamer können schneller von einer Aufgabe zu einer anderen wechseln, und bei ihnen funktionieren auch die Gehirnregionen besser, die die Aufmerksamkeit steuern.

Infografik: Helios

Studie: Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin:

Das Spiel „Super Mario 3D“ lässt die für räumliche Vorstellung, strategisches Planen und die Fingersteuerung zuständigen Gehirnregionen wachsen.

Studie: Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH):

Patienten, die durch Schäden am Kleinhirn unter Bewegungsstörungen leiden, können durch das Training mit speziellen Videospielen ihre Beweglichkeit verbessern.

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Was ist wichtig?

Richtiges Sitzen am Computer

Der Rücken bleibt gerade, wenn die Stuhllehne fest ist und sich nicht nach hinten kippen lässt. Für Schultern und Hände ist es wichtig, die Maus von oben zu greifen. Mousepad und Tastatur sollten eine Handgelenk ablage haben.

Regelmäßige Muskelentspannung

Zwischendrin immer mal wieder Schultern kreisenlassen, Hände ausschütteln, Arme lockern und den Rücken nach hinten dehnen. Dann ist schon viel gewonnen, denn gerade Jugendliche, die noch im Wachstum sind, können schnell Haltungsschäden bekommen.

Ältere Menschen ü65 profitieren von Computerspielen

Mit Computerspielen lassen sich nicht nur gezielt bestimmte Gehirnfunktionen trainieren. Sondern man kann auch den Abbauprozessen im Gehirn älterer Menschen entgegenwirken. Außerdem können ältere Menschen durch passende Computerspiele Korrekturen von Fehlhandlungen (sog. Inhibition) trainieren. Bisher dachte man, dass Korrekturen von Fehlbehandlungen untrainierbar sind.