411 Kilometer mit dem Gleitschirm über den Nordosten Brasiliens © Foto: Dr. Holger Braun
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Ein Handchirurg will hoch hinaus

411 Kilometer mit dem Gleitschirm über den Nordosten Brasiliens

Dr. Holger Braun ist Handchirurg und Stationsleiter der Handchirurgie im Helios Klinikum Warburg. Wenn er nicht am Operationstisch steht, findet man ihn in schwindelerregenden Höhen.

In einem Kurzinterview berichtet Dr. Holger Braun aus dem Helios Klinikum Warburg über sein kleines Abenteuer. Als ist leidenschaftlicher Gleitschirmflieger legte er stolze 411 Kilomenter über Brasilien zurück.

Lieber Herr Dr. Braun, das ist ja ein außergwöhnliches Hobby. Was können wir uns genau unter Gleitschirmfliegen vorstellen?

Beim Gleitschirmfliegen startet man mit einem Schirm ähnlich einem Kite an einem Hang oder von der Winde aus und nutzt thermischen Auftrieb, um zu fliegen und an Höhe zu gewinnen. Beim Streckenfliegen fliegt man von Aufwind zu Aufwind. So kann man beachtliche Strecken zurücklegen, obwohl man auf 10 Meter Gleitstrecke einen Meter Höhe verliert. Alles ohne Motor versteht sich.

Wie sind Sie denn zum Gleitschirmfliegen gekommen?

Gleitschirm-Flieger fliegt über Meer und Küste
Mit dem Gleitschirm über Brasilien | Foto: Dr. Holger Braun

Intensiver mit Gleitschirmfliegen auseinandergesetzt habe ich mich im Jahr 2007. Mein damaliger Oberarzt Dr. Michael Kolle, heute Leitender Oberarzt in der Unfallchirurgie in der Helios Klinik Herzberg, praktizierte diesen Sport und erzählte begeistert davon. Erst 2010 habe ich dann im Sauerland einen Schnupperkurs gemacht. Im Moment des ersten Abhebens war es um mich geschehen.

Vom Sauerland nach Brasilien ist es aber ein weiter Weg ...

Ich habe früh mitbekommen, dass man im Nordosten von Brasilien sehr weite Flüge mit dem Gleitschirm machen kann. Videos im Internet haben mich fasziniert. Eine puristische Gegend mit einer liebevollen, fröhlichen Bevölkerung. Dort gibt es im Oktober/November eines jeden Jahres eine starke Thermik und einen kräftigen Rückenwind, der gut schiebt. Außerdem liegt diese Region nah am Äquator. Wenige Minuten nach Sonnenaufgang steht die Sonne bereits im Zenit. Ich musste jedoch erst einige Jahre trainieren, um das Niveau zu erreichen, in solchen sehr anspruchsvollen Bedingungen sicher fliegen zu können.

Und dann sind Sie einfach alleine los?

Landschaftskarte mit Daten
Die Flugroute von Dr. Holger Braun | Foto: Dr. Holger Braun

Nein, ich bin mit vier extrem erfahrenen Fliegerfreunden nach Brasilien gereist. Mein Freund Konrad Görg spricht fließend Portugiesisch. Das war sehr hilfreich. Alleine die Vorbereitungen waren ein Abenteuer. Am Ende hatten wir ein gutes Setting zusammen. Unsere Flüge haben wir in Parelhas von einer Abrollwinde gestartet.

Was waren die größten Probleme vor und während der Reise?

Der Transport der 80 Kilogramm schweren Abrollwinde nach Brasilien war eine Herausforderung. Auch der Auf- und Abbau des Geräts war kompliziert und es gab immer wieder Defekte, die meine Fliegerfreunde und ich selbst beheben mussten. Denn wir hatten ja vor Ort keinen Reparaturservice zur Verfügung. Entweder bekommt man diese Probleme selbst gelöst, oder das Abenteuer ist beendet.

Und dann kam der große Tag?

Ja. Es war mein vorletzter Flug dort. Es sah zu Beginn nicht nach einer weiten Strecke aus. Wenig Wolken (Aufwinde kondensieren am Ende und bilden die typischen Schäfchenwolken) und wenig Wind machten wenig Hoffnung. Aber so eine Gleitschirmflug über zehn Stunden entscheidet sich nicht zu Beginn.

Hat sich der Tag noch zu Ihren Gunsten entwickelt?

Mann in Gleitschirm über Stadt in der Luft
Selfie-Zeit hoch über den Wolken | Foto: Dr. Holger Braun

Ja. Die Thermik wurde immer besser und ich konnte sehr zügig fliegen. Es wäre sicherlich noch etwas weiter als 411 Kilometer gegangen. Aber so schnell wie die Sonne aufgeht, geht sie auch unter. Ich habe die etwas vorgezogene Landung in der einsetzenden Dämmerung an einer kleinen Siedlung bevorzugt, anstatt im Dunkeln im absoluten Nirwana zu landen.

Zehn Stunden allein in der Luft sind eine unfassbare mentale Belastung. Sie ist vergleichbar mit meiner Arbeit als Handchirurg, wenn ich die Funktion mehrerer Finger wiederherstelle. In der Luft kann man sich nicht viel bewegen, ist immer konzentriert, isst und trinkt notdürftig und muss den Willen haben, bis zum Schluss die Anspannung hoch zu halten. Am Ende war es damals der drittweiteste Flug eines deutschen Gleitschirmpiloten überhaupt.

Haben Sie denn schon weitere Abenteuer geplant?

Erstmal nicht. Aktuell stehen viele Aufgaben im Helios Klinikum in Warburg und in unserem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) an. Aber die Zeit wird reichen, um an einigen Streckenflug-Wettbewerben teilzunehmen. Dieses Jahr hat es immerhin zum hessischen Landesmeistertitel gereicht.