14-jährige Jule durch umstürzende Ampel schwer verletzt
Zur Artikelübersicht
Ein Geburtstagsausflug mit großem Schrecken

14-jährige Jule durch umstürzende Ampel schwer verletzt

Jule Michel wohnt mit ihrer Mutter Judith und ihren zwei älteren Brüdern in Münnerstadt (Bayern). Vor einem Jahr fiel bei einem Berlinbesuch eine Baustellenampel auf die damals 14-Jährige. Da sie daraufhin ihre Beine nicht mehr spüren konnte, wird die Jugendliche sofort ins Helios Klinikum Berlin-Buch gebracht – mit Verdacht auf Querschnittslähmung. Wir treffen Jule knapp ein Jahr nach dem Unfall und haben gefragt, wie es ihr aktuell geht.

Jule tanzt gerne, spielt Basketball mit ihrem Bruder und liebt es einfach sich zu bewegen. Das wäre ihr vor gut einem Jahr fast für immer versagt geblieben, als bei einem Berlinbesuch anlässlich  ihres  Geburtstags  eine  Behelfsampel  auf  die  Jugendliche  gefallen  ist  und  sie daraufhin als Notfall ins Helios Klinikum Berlin-Buch eingeliefert wurde.

Der Unfall mit der Ampel

Anlässlich Jules 14. Geburtstag waren sie und ihre Mutter zu Besuch bei der Patentante in Bernau. Bei einem Ausflug in die Stadt auf dem Weg zur S-Bahn in Bernau, wollten Jule und ihre  Mutter  über die  Ampel gehen. Jules  Mutter, Judith  Michel, berichtet: „Das war eine Baustellenampel, so eine Art  Behelfsampel  mit  einem  Auslieger,  und  die  ist  auf  sie draufgefallen. Die Ampel war nicht richtig  gesichert gewesen und es war ein bisschen stürmisch. Ich habe nach vorne geschaut, ob die Ampel schon grün ist, guck danach wieder zu Jule und sie war weg. Und dann lag sie schon auf dem Boden mit der Ampel auf sich drauf.“ Sofort haben umstehende Passanten geholfen, die Ampel mit hochzuheben und den Notarzt zu rufen.

Jule war bei Bewusstsein und hat gleich gesagt: „Mama, Mama, das tut so weh!“ Es ging alles unheimlich schnell, der Notarzt war innerhalb von Minuten da und Jule wurde sofort ins Helios Klinikum Berlin-Buch gebracht. „Es hat sich ziemlich schnell herausgestellt, dass etwas mit der Wirbelsäule nicht in Ordnung ist, weil Jule keine Gefühle mehr in den Beinen hatte“,  berichtet  ihre  Mutter.  „Während  der  notfallärztlichen  Erstversorgung  standen  ihre Patentante und ich vor der Tür und irgendwann kam ein Arzt raus und meinte, er müsste uns darauf vorbereiten, dass sie querschnittsgelähmt ist, weil sie ihre Füße nicht mehr spürt. Das war so schlimm für mich.“

Priv.-Doz. Dr. med. Yu-Mi Ryang, Chefärztin der Neurochirurgie, erklärt: „Durch den schweren Unfall war die Lunge kollabiert und derBrustkorb mit Blut gefüllt. Aber noch viel schlimmer war, dass Jule ihre Beine nicht mehr bewegen konnte und sie kaum noch spürte. Da wusste ich, wir müssen sofort handeln. Sie hatte einen fast kompletten Querschnitt aufgrund einer schwerwiegenden Verletzungdes Rückenmarks, verursacht durch einen Bruch des vierten, fünften und sechsten Brustwirbels. Als ich am späten Abend von dem Fall informiert wurde, war ich gerade von der Arbeit zurück und wollte mir Abendessen machen. Als mir das Ausmaß der Verletzung mitgeteiltwurde, bin ich sofort zurück in die Klinik und wir haben unmittelbar eine Not-OP durchgeführt.“ 

Frau Dr. Ryang hat Mutter Judith Michel anhand der CT- und MRT-Bilder ganz genau erklärt, was an der Wirbelsäule verletzt ist und was sie alles in der OP machen muss.

Die erste Zeit auf der Kinderintensivstation war schon extrem hart. Wenn du dein Kind liegen siehst, an allen Ecken und Enden hingen irgendwelche Schläuche an ihr dran oder drin“

, berichtet Jules Mutter.

Insgesamt drei Mal wurde Jule operiert in einer relativ kurzen Zeit. Jule lag eine Woche auf der Kinderintensivstation.

Judith Michel: „Für mich als Mutter war es sehr schlimm, ich habe die ganze Situation sehr bewusst wahrgenommen. Ich hatte richtiges Kopfkino. Fragen beschäftigten mich wie: Was wäre, wenn du das und das nicht gemacht hättest, dann wäre das auch nicht passiert. Bis dahin, wo ich gesagt habe, hätte ich ein querschnittgelähmtes Kind gehabt, kann ich nicht mehr arbeiten, muss ich aus dem Haus ausziehen, also meine ganze Existenz ist gefährdet. Ich  hätte  sie  nicht  alleine  gelassen,  sondern  hätten  wir  schauen  müssen,  dass  wir  das gemeinsam lösen.“ 

Erster Hoffnungsschimmer

Nach vier Tagen hat Jule wieder gespürt, wenn sie am Fuß berührt wurde. Jule wurde von der Kinderintensivstation in die Kinderchirurgie verlegt und wurde dort eine weitere Woche betreut. „Selber konnte ich mich noch nicht hinstellen, aber mit Unterstützung konnte ich aufstehen und dann kurze Zeit alleine stehen. Laufen ging noch nicht, berichtet Jule. Mutter Judith ergänzt: „Von der Physiotherapie haben wir einen Rollstuhl zur Verfügung gestellt bekommen. Den hatten wir eine Woche und sind dann auch täglich mit ihr rausgegangen.“ Dann  erfolgte  die  Verlegung  per  Hubschrauber  von  Berlin-Buch  nach  Bayreuth  für  sechs Wochen ins Querschnittszentrum.

Dann die große Erleichterung

In  Bayreuth  ist  Mutter  Judith  viel  mit  Jule  rausgegangen,  im  Wald  oder  durch  die  Stadt spazieren. Nach zwei Wochen Aufenthalt in Bayreuth kann Jule wieder laufen. Im Anschluss erfolgte  noch  eine  ambulante  Reha  in  Schweinfurt.  Seit  September  geht  2019  geht  Jule regelmäßig in ein Fitnesscenter, um sich fit zu halten und Bewegungsabläufe zu trainieren. Judith Michel: „Ich war drei Tage zu Hause und habe das Zimmer umgestaltet. Sie hatte vorher ein  Hochbett  und  hat  nun  ein  Boxspringbett.  Das  hätte  sie  in  der  ersten  Zeit  nicht hinbekommen, auf ihr Hochbett zu klettern. Da hat es einfach an der Koordination gefehlt. Sie musste einfach wieder laufen lernen von vorne.“

Aktuell kann Jule sich wieder frei bewegen, nur manchmal hat sie noch Schmerzen im Rücken. Jule  hat  die  ganze  Sache,  auch  Gedanken  um  eventuell  nie  mehr  Laufen  können,  eine eventuelle lebenslange Querschnittslähmung, gar nicht bewusst erlebt. „Es waren ja zum Glück auch nur drei Tage, an denen ich meine Beine nicht bewegen konnte und man davon ausging, dass ich eventuell nie mehr laufen kann“, berichtet Jule.

Es ist wie ein Wunder. Ich bin so unendlich froh, dass alles wieder annähernd normal ist und Jule es so gut geht.Sie hatte einen fast kompletten Querschnitt und kann jetzt wieder laufen. Ich kann es selber kaum glauben, wie gut sie sich erholt hat. Durch ihren unbändigen Willen, hat sie sich zurück ins Leben gekämpft.“

Frau Dr. Ryang

Jule  erzählt:  „Ich  bin  jetzt  in  der  Praktikumsklasse  in  der  Schule. Da  schnuppern  wir  in verschiedene Berufe hinein, um uns später in der Berufswelt besser orientieren zu können. Ich bin sehr zuversichtlich, dass ich das Richtige für mich finden werde.“ Wir wünschen Jule, dass sie den richtigen Weg für sich findet und mit viel Bewegung in eine positive Zukunft startet.