Starkes Übergewicht wird häufig kleingeredet: Begriffe wie „Disziplinlosigkeit“ oder „Fresssucht“ fallen in diesem Zusammenhang. Doch damit wird man den Betroffenen nicht gerecht, weiß Professor Till Hasenberg. Er ist Chefarzt für Adipositas- und Metabolische Chirurgie am Adipositas-Zentrum West und kennt die Vorurteile, mit denen Patienten zu kämpfen haben. „Adipositas ist eine Krankheit, kein ‚Lifestyle‘. Sie kann vielfältige Ursachen haben und ist behandlungsbedürftig.“ Als Ursache für Fettleibigkeit werden zu etwa 70 Prozent die Genetik und zu 30 Prozent externe Faktoren definiert.

Adipositas-Chirurgie: Schlauchmagen
Allein in Deutschland ist ein Viertel der Bevölkerung von krankhaftem Übergewicht, einer Adipositas, betroffen. Normale Diäten führen oft zu keinem dauerhaften Abnehmerfolg, weshalb für viele eine Adipositas-Operation der letzte Ausweg ist.
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Starkes Übergewicht wird häufig kleingeredet: Begriffe wie „Disziplinlosigkeit“ oder „Fresssucht“ fallen in diesem Zusammenhang. Doch damit wird man den Betroffenen nicht gerecht
Therapieansätze der Adipositas-Chirurgie
Wie sehen Therapieansätze aus? Das weiß Doktor Barbara König: Sie ist die leitende Oberärztin am Adipositas-Zentrum West. "Eine Adipositas-Behandlung ist mehr als nur eine bariatrische Magen-OP: Wir setzen mit unserem mehrstufigen Therapie-Konzept ganzheitlich an, das ist sehr wichtig", erklärt die Ärztin.
Im zertifizierten Adipositaszentrum West wird der Patient nicht sofort operiert, sondern erst psychologisch und ernährungstherapeutisch begleitet. Zunächst stellen die Ärzte in einem Vorgespräch die Anamnese für das Übergewicht und mögliche Begleiterkrankungen. Diese können beispielsweise Sodbrennen, Schlafapnoe oder Typ-2-Diabetes mellitus sein.
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Eine Adipositas-Behandlung ist mehr als nur eine bariatrische Magen-OP: Wir setzen mit unserem mehrstufigen Therapie-Konzept ganzheitlich an, das ist sehr wichtig.
Auch spielt der Body-Mass-Index (kurz: BMI) eine große Rolle für die Therapie: Dieser Index setzt Körpergröße, Alter und Gewicht des Patienten in ein Verhältnis. Demnach gilt ein Mensch ab einem BMI von 30 als adipös, für eine mögliche OP gilt ein BMI von 40 und höher als Richtwert. Bei Begleiterkrankungen, die auf die Fettleibigkeit zurückzuführen sind, wird eine OP schon ab einem BMI von 35 in Betracht gezogen.
Was ist ein Schlauchmagen?
Die Schlauchmagen- oder Sleeve-Gastrektomie-Operation ist mittlerweile die am häufigsten durchgeführte. Sie kann auch bei Patienten angewendet werden, die besonders stark fettleibig sind. Dabei entfernt der Chirurg etwa 90 Prozent des sackartigen Magenvolumens, sodass nur noch ein schlauchförmiger Teil übrigbleibt.

Eine Schlauchmagen-OP ist für uns mittlerweile zur Routine geworden. Wir gehen nach einem festgelegten Protokoll vor, sodass das Verfahren nur 45 bis 75 Minuten dauert.
Dieses erfolgt per Schlüsselloch-Technik, also laparoskopisch oder minimal-invasiv, über fünf kleine Zugänge in einer Größe von 0,5 bis 1,2 cm. Der Bauch wird zunächst mit einem Gas gefüllt, damit der Operateur eine bessere Sicht auf den Bauchinnenraum hat. Nun lösen die Chirurgen in einer speziellen Technik den Magen von Verwachsungen, zum Beispiel zur Milz, um im Anschluss die eigentliche Verkleinerung vorzunehmen.
Ein wichtiger Teilschritt der Operation ist die sogenannte Dichtigkeitsprüfung: am Ende des Eingriffs füllt der Narkosearzt den neuen Magen über eine kleine Magensonde kurzzeitig mit einer blauen Flüssigkeit, um sicherzustellen, dass die Nahtstellen absolut dicht sind. So hält sich die Rate an Komplikationen in der Hand erfahrener Chirurgen sehr gering.
Vor der Schlauchmagen-OP

"Wichtig, um extremes Übergewicht erfolgreich zu bekämpfen und abzunehmen, ist natürlich ein gesunder Lebenswandel, also eine ausgewogene Ernährung und ausreichend Bewegung", weiß Barbara König.
Deshalb erhalten die Übergewichtigen vor einer Operation ein individuelles Ernährungs- und Bewegungsprogramm von Experten, darunter Physiotherapeuten und Ernährungsberater. Es komme aber nicht nur darauf an, gesund und ausgewogen zu essen.
"Nach einer Magenverkleinerung können die Patienten nur noch deutlich weniger Nahrung zu sich nehmen. Daran müssen Körper und Magen schon im Vorhinein allgemein gewöhnt werden", sagt Dr. König.
Das Sportprogramm umfasst etwa 2 ½ Stunden pro Woche. Zusätzlich finden regelmäßig Treffen mit spezialisierten Psychotherapeuten und Gespräche in Selbsthilfegruppen statt. Vor Durchführung einer Operation muss in manchen Fällen zudem ein Antrag bei der Krankenkasse gestellt werden.
Außerdem halten die Adipositas-Ärzte ein Arzt-Patienten-Seminar, in dem sich die Betroffenen über Möglichkeiten auf dem Gebiet der Adipositaschirurgie und erprobte Therapiewege informieren.
Diese vorangehende Therapie ist bei Betroffenen mit einem BMI von 50 oder mehr übrigens deutlich verkürzt, da eine konservative Diät nicht mehr durchzuführen und das Gesundheitsrisiko durch die Fettleibigkeit eklatant erhöht ist. Hat auch das Therapie-Konzept zu keiner nachhaltigen Gewichtsreduktion geführt, steht einem operativen Eingriff nichts mehr im Weg.
Vorteile einer Schlauchmagen-Operation
Etwa 70 Prozent aller Adipositas-Eingriffe sind Schlauchmagen-Operationen, also Sleeve-Gastrektomien. Das habe damit zu tun, dass die Patienten den Eingriff gut verkraften und die Risiken gering sind. Alternativ gibt es beispielsweise die Bypass-Operation. Sie ist umfangreicher, die Erfahrungen zeigen aber, dass Magenbypass-Patienten meist von Sodbrennen verschont bleiben oder es sich sogar ganz zurückbildet.
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Etwa 70 Prozent aller Adipositas-Eingriffe sind Schlauchmagen-Operationen, also Sleeve-Gastrektomien.

Bei einem Magenbypass-Eingriff werden Zwölffingerdarm und Hauptmagen operativ umgangen, der Dünndarm wird rekonstruiert und direkt an eine kleine Magentasche angeschlossen. Diesen Eingriff bezeichnet man auch als Roux-en-Y-Magenbypass. Etwa 20 Prozent der Operierten mit Schlauchmagen entwickeln im Nachgang Sodbrennen – für sie bietet sich eine Operation an, bei der man den Schlauchmagen in einen Bypass umwandelt.
Eine früher weit verbreitete Methode zur Reduzierung des Magenvolumens war das Magenband. Das Verfahren hatte jedoch den Nachteil, dass es im Vergleich zu anderen Methoden häufiger zu Komplikationen führte und einen geringeren Abnehmerfolg aufwies – ein Grund, weshalb es in der Adipositas-Chirurgie nur noch selten eingesetzt wird.
Nach der Schlauchmagen-OP
Die Therapie ist nach einer bariatrischen Operation nicht abgeschlossen: Die Ärzte des Adipositas-Zentrums West betreuen ihre Patienten ein Leben lang. So finden im ersten Jahr nach dem Eingriff nach 3 Monaten und einem Jahr Nachsorgegespräche mit dem behandelnden Arzt statt, danach einmal jährlich. Aufgrund der Interdisziplinarität führt die Behandlung aber bei Bedarf noch weiter. Mögliche Zusatzbehandlungen kommen direkt aus einer Hand.
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Ein Problem großen Gewichtsverlusts ist, dass sich die über viele Jahre extrem gedehnte Haut bei manchen Patienten nicht zurückbildet. Deshalb arbeiten wir eng mit der plastischen Chirurgie zusammen.
So bietet Professor Ahmet Bozkurt, Direktor der Klinik für Plastische und Ästhetische Chirurgie, Hand- und Verbrennungschirurgie gemeinsam eine regelmäßige Sprechstunde für die Adipositas-Patienten an, in der er über Hautstraffungsmöglichkeiten berät.
Psychologische Unterstützung
Wir freuen uns, dass wir unseren Patienten nicht nur Magenoperationen anbieten können, sondern ein ganzheitliches Therapiekonzept, physiologisch wie psychologisch", sagt Dr. Babara König. Denn Abnehmen findet nicht nur im Bauch statt, sondern auch im Kopf.
Neues Sättigungsgefühl nach der OP

Nach dem Eingriff führen die Patienten ein völlig anderes Leben, was sich insbesondere auf die Ernährung und den Magen-Darm-Trakt auswirkt: Zunächst können sie nur kleine Portionen von 100-150 ml zu sich nehmen, dann ist der „neue Magen“ bereits gefüllt. Im Laufe der Zeit wächst das Magenvolumen leicht, sodass der Patient bis zu 200 Gramm oder Milliliter aufnehmen kann. Zum Vergleich: Bei einem gesunden Menschen liegt das Magenvolumen in etwa bei der zehnfachen Größe.
Deshalb stellt sich ein schneller Abnehmerfolg ein, der sich besonders in den ersten sechs Monaten zeigt und oftmals auch zu einer mentalen Veränderung führt – Insgesamt nehmen die Patienten im Anschluss an den Eingriff in kurzer Zeit durchschnittlich 60 bis 70 Prozent ihres ursprünglichen Körpergewichts ab. Bei einem so geringen Magenvolumen muss die Vitaminaufnahme unterstützt werden: Daher nehmen die Patienten zusätzlich zweimal am Tag Vitaminpräparate zu sich und spritzen sich einmal im Quartal Vitamin B12.
Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands
Die Magenverkleinerung bedeutet allgemein aber nicht nur Gewichtsreduktion: Gerade Patienten mit Typ 2-Diabetes-Erkrankung profitieren von der radikalen Ernährungsumstellung. Sie berichten von einer Verbesserung ihres Insulinspiegels, bei einigen verschwindet die Erkrankung sogar vollständig. Die Operation wird daher bei Diabetes-Erkrankten nicht zur Gewichtsreduktion durchgeführt, sondern aufgrund des positiven Effekts für den Blutzucker.
Adipositas-Zentrum West
Das zertifizierte Kompetenzzentrum auf dem Gebiet der Adipositas- und Metabolischen Chirurgie ist über vier Standorte vernetzt:
- Helios St. Elisabeth Klinik Oberhausen
- Helios Universitätsklinikum Wuppertal
- Helios St. Josefs-Hospital Bochum-Linden
- Helios Klinikum Niederberg
Die Standorte liegen nah beieinander, wodurch das Angebot breiter aufgestellt werden kann und die Patienten von den Fachärzten der jeweiligen Häuser profitieren.