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Erblicher Krebs: Wie stark ist die familiäre Vorbelastung?

In manchen Familien tritt Krebs gehäuft auf. Die Betroffenen erkranken entweder an der gleichen Tumorvariante oder an anderen Krebsarten. Wann spricht man von erblichem (Darm-)Krebs?

Picture presenting aging process

Wie unterscheidet sich ein erblicher von einem nicht-erblichen Darmkrebs?

Der Schlüssel liegt in der Familiengeschichte. Wenn mehrere Familienmitglieder an Krebs erkrankt sind, so besteht der Verdacht auf Erblichkeit. Bei einer familiären Häufung von Krebs können durchaus auch andere Organe betroffen sein.

Hier ist vor allem der Gebärmutterkrebs (Endometriumkarzinom) zu nennen sowie bösartige Tumore des Dünndarms oder der ableitenden Harnwege (Harnleiter, Blase).

Der Verdacht ist umso wahrscheinlicher, je früher die Krebserkrankung bei manchen Familienmitgliedern aufgetreten ist. Häufig sind Patient:innen, die familiär belastet sind, jünger als die typische Altersgruppe für Darmkrebs, also jünger als 60 Jahre.

Weitere Krebserkrankungen, wie etwa Hautkrebs, Eierstockkrebs, Gallenblasenkrebs oder Bauchspeicheldrüsenkrebs, können ebenfalls gehäuft auftreten.

Diagnose und Therapie bei erblichen Krebs

Bei uns steht nicht nur die chirurgische Therapie im Sinne von Darmteilentfernungen oder Entfernungen des gesamten Dickdarms im Vordergrund. Wesentlicher Bestandteil bei der Behandlung von Patient:innen mit familiären Tumorerkrankungen, wie etwa familiäre adenomatöse Polyposis (FAP), Peutz-Jeghers-Syndrom, HNPCC und Lynch-Syndrom und anderen Erkrankungen, ist es, zum richtigen Zeitpunkt die passende Therapie festzulegen.

Zudem bieten wir an, Familienmitglieder von Patient:innen mit nachgewiesenem familiären Dickdarmkrebs oder Krebsvorstufen zu untersuchen und zu beraten. Dazu gehören ausführliche Gespräche, Blutentnahmen, aber auch die endoskopische Diagnostik und gegebenenfalls die Operation.

Darmkrebs entwickelt sich aus gutartigen Vorstufen, den sogenannten Polypen.
Bei einer Darmspiegelung werden sie entfernt – schon bevor Krebs entsteht.

Krankheitsbilder mit erblichem Krebsrisiko

Erfahren Sie nachfolgend, welche Krankheiten eine erbliche Veranlagung haben.

Darmpolypen

Polypen sind überschießende Neubildungen aus der Schleimhaut und sehen oft „pilzartig“ aus. Sie kommen in allen Körperteilen vor, die Schleimhäute haben, etwa Magen, Darm, Gebärmutter oder Nase.

Polypen sind gutartig, können allerdings krebsig entarten, wenn sie weiterwachsen. Deshalb müssen sie nach ihrer Entdeckung entweder engmaschig kontrolliert oder entfernt werden. Im Darm kann man entdeckte Polypen während der Darmspiegelung direkt entfernen.

Darmpolypen bilden sich nur vereinzelt vor dem 30. Lebensjahr, werden mit zunehmendem Alter immer häufiger. Nach aktuellen Schätzungen haben etwa 20 Prozent der über 60-Jährigen auch ohne ein erhöhtes Risiko Darmpolypen.

Die Mehrzahl der Polypen wächst im unteren Darm, dem Rektum (Mastdarm) und Sigmoid (an dieser Stelle macht der Dickdarm eine leichte S-Kurve). Patient:innen mit einer erblichen Belastung weisen oft Polypen im Dünndarmnahen Anteil des Dickdarms auf (Caecum, Colon ascendens).

Dickdarm- und Enddarmkrebs

Der Darm hat die Aufgabe, Wasser aus dem Nahrungsbrei zurückzugewinnen und die nicht mehr verwertbaren Nahrungsbestandteile auszuscheiden. Der Dickdarm (Colon) ist etwa 1,20 bis 1,50 Meter lang, der Enddarm (Rektum) ist 16 Zentimeter lang. Dickdarmkrebs beginnt im Colon oder Rektum.

Der Dickdarm kann in mehrere Abschnitte unterteilt werden. Auf der rechten Körperseite befindet sich der sogenannte aufsteigende Dickdarm (Colon ascendens), der sich nach rechts etwa bis zur Leber hochzieht und dann in den Querdarm (Colon transversum) übergeht.

Dieser Teil des Darms überquert die rechte zur linken Körperhälfte, um dann in einer scharfen Kurve in den abführenden Dickdarm (Colon descendens) überzugehen. Schließlich kommt es zum Krummdarm (Colon sigmoideum, wegen seiner S-Form), welcher in den Enddarm (Rektum) und in den Anus mit dem Schließmuskel übergeht, aus dem der Stuhl dann entleert wird.

Etwa 60.000 Menschen erkranken jährlich an Dick- oder Enddarmkrebs. Etwa 30.000 Personen sterben jährlich an den Folgen der fortgeschrittenen Krebserkrankung. Polypen frühzeitig zu entdecken und zu entfernen, ist eine sogenannte primäre Prävention.

Das bedeutet, man verhindert überhaupt die Krebsentstehung. Zudem ist die frühe Diagnose von Dickdarm- oder Enddarmkrebs oft lebensrettend, da eine Heilung herbeigeführt werden kann.

HNPCC und Lynch-Syndrom

HNPCC steht für „hereditäres nichtpolypöses colorektales Karzinom“. Dieser Name ist nicht durchdacht gewählt, denn auch bei diesem Krankheitsbild entstehen die bösartigen Tumore zunächst über die gutartige Vorstufe.

Im Gegensatz zur familiären adenomatösen Polyposis (FAP) treten hier jedoch sehr viel weniger Polypen auf. Das bedeutet, HNPCC lässt sich nur schwer von einem sonst auftretenden Dickdarmtumor unterscheiden.

Von HNPCC sind vor allem Jüngere betroffen. Durchschnittlich erkranken die Betroffenen mit etwa 40 Jahren, aber auch 25 oder 30 Jahre sind keine Seltenheit. Zum Vergleich:  Dickdarmkrebs tritt üblicherweise erst nach dem 65. Lebensjahr auf.

Die Diagnose HNPCC ist dann wahrscheinlich, wenn in der Familie bereits mehrere Menschen an Dickdarmkrebs erkrankt sind. Es handelt sich um eine erbliche Veranlagung zur Bildung bösartiger Tumore. Zudem ist meist der Dickdarm betroffen, aber nicht ausschließlich.

Auch die Gebärmutter, der Dünndarm oder die ableitenden Harnwege sind häufig befallen. Oft, aber nicht immer, sind die sogenannten Amsterdamer Kriterien erfüllt. Diese wurden Anfang der 90er zur klinischen Diagnose des HNPCC eingeführt.

Peutz-Jeghers-Syndrom (PJS)

Das Peutz-Jeghers-Syndrom ist eine autosomal-dominant vererbte Erkrankung, das heißt die Krankheit kommt in jeder Generation vor. Folgende Symptome sind typisch:

  • Lentiginose: Typische Pigmentflecken, etwa an den Lippen.
  • Hamartomatöse Polypose: Bestimmte Polypen (gutartige Schleimhautwucherungen), die vor allem im Dünndarm, aber auch in Dickdarm und Magen, sowie selten auch außerhalb des Verdauungstrakts, wie zum Beispiel in Blase, Gallenblase, den oberen Luftwegen und dem Herz, auftreten.
  • Erhöhtes Risiko für verschiedene Krebserkrankungen (zum Beispiel Bauchspeicheldrüse, Magen-Darm-Trakt, Brustkrebs, seltene gynäkologische Tumore).

Die Diagnose gilt als sicher, wenn entweder zwei hamartomatöse Polypen (geschwulstartig wachsend) oder ein hamartomatöser Polyp zusammen mit typischen Pigmentflecken auftreten oder wenn ein hamartomatöser Polyp bei positiver Familienanamnese auftritt.

Hyperplastische Polyposis

Über die genetischen Grundlagen dieser Erkrankung ist bislang wenig bekannt. Als diagnostische Kriterien gelten viele (circa 20 bis 30) Polypen, vor allem im rechtsseitigen Anteil des Dickdarms. Auch bei diesem Krankheitsbild scheint die Entwicklung zu einem Krebs begünstigt zu sein.

Darmkrebs entwickelt sich aus gutartigen Vorstufen, den sogenannten Polypen.
Bei einer Darmspiegelung werden sie entfernt – schon bevor Krebs entsteht.

Familiäre adenomatöse Polyposis (FAP)

Die familiäre adenomatöse Polyposis (FAP) ist die häufigste heute bekannte erbliche Polypenerkrankung. Bei dieser Form der Polypenerkrankung entstehen die gutartigen Polypen (Adenome) primär im Dickdarm. Man unterscheidet die klassische Form einer FAP und eine verminderte (attenuierte) Form.

Wichtig hierbei ist: Aus einer unbehandelten FAP entwickelt sich immer Dickdarmkrebs, oft bereits im jungen Alter. Eine Polypenabtragung bei der Vielzahl dieser Polypen ist nicht möglich, um Darmkrebs zu vermeiden.

Oft tritt die Dickdarmpolyposis gemeinsam mit anderen Symptomen der zugrundeliegenden genetischen Veränderung auf:

  • Polypen des oberen Magen-Darm-Trakts, sogenannte Osteomen (gutartige Knochenmehrbildungen, oft im Gesichtsschädelbereich), Epidermoidzysten (Atherome, Lipome, Fibrome)
  • Pigmentflecken an der Retina (CHRPE = bedeutungslose Pigmentflecken, die Augenärzt:innen bei einer Augenhintergrundspiegelung feststellen können)
  • Zahnanomalien (unter- oder überzählige Zähne)
  • Desmoide (semimaligne, das heißt beschränkt bösartig, bindegewebige Tumore, die bei der FAP oft im zeitlichen Zusammenhang mit der erforderlichen Dickdarmentfernung auftreten)

Um Dickdarmkrebs gar nicht erst entstehen zu lassen, ist bei FAP-Patient:innen vorbeugend in aller Regel eine komplette End- und Dickdarmentfernung erforderlich. Diese Operation sollte weder zu früh noch zu spät durchgeführt werden. Unsere erfahrenen Spezialist:innen unterstützen die Patient:innen hier umfassend bei der Entscheidungsfindung.

Bei der klassischen Form einer FAP wird diese Operation in aller Regel mit einem Dünndarmpouch durchgeführt. Es handelt sich um ein Operationsverfahren, bei dem mit Anlage eines Reservoirs eine direkte Verbindung zwischen Dünndam und Anus geschaffen wird.

Die Lebensqualität nach dieser Operation ist in aller Regel sehr gut, wenn auch mit drei bis fünf Stuhlgängen am Tag bei einer voll erhaltenen Kontinenz.

Betroffene, die sich informieren möchten, können sich auch gerne an die Selbsthilfegruppe „Familienhilfe Polyposis“ wenden.

Magen

Die familiäre Häufung von Magenkarzinomen wird zurzeit in drei Krankheitsbilder zusammengefasst:

  • Das hereditäre diffuse Magenkarzinom, kurz HDGC, ist die häufigste vererbte Ursache für ein Magenkarzinom, mit Nachweis einer CDH1-Keimbahnmutation.
  • HNPCC-Familien beziehungsweise Familien mit HNPCC-Verdacht und Mutationsnachweis in einem der DNA-Reparaturgene sowie Nachweis einer multiplen Mikrosatelliteninstabilität. Das Risiko für ein Magenkarzinom bei HNPCC wird mit circa 10 bis 15 Prozent angegeben.
  • Undefinierte Magenkarzinomhäufungen (meist intestinaler Typ) bei unauffälligem Mikrosatellitenstatus. Dies stellt die bei weitem größte Entität der familiär gehäuften Magenkarzinome dar; die genetischen Ursachen sind nicht geklärt, ebenso sind Früherkennungsempfehlungen nicht etabliert.

Davon unabhängig verursachen das PJS, die FAP und das Li-Fraumeni-Syndrom ebenfalls ein erhöhtes Magenkarzinomrisiko.

Bei Nachweis einer CDH1-Keimbahnmutation ist eine rein prophylaktische Magenresektion (Entfernung des Magens) in einem jungen Lebensalter indiziert (circa 18 bis 20 Jahre). Auf Vorläuferläsionen soll hier nicht gewartet werden. Inwieweit bei Frauen eine ebenfalls rein prophylaktische Mastektomie zu empfehlen ist und in welchem Alter, wird aktuell diskutiert.

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