1928 entdeckte Alexander Fleming das Penicillin – bis heute eines der bekanntesten Antibiotika. Heute, 90 Jahre später, sind zahlreiche Krankheitserreger gegen Penicillin resistent: Eine gefährliche Entwicklung, die durch den zu sorglosen Umgang in der Human- und Veterinärmedizin mit Antibiotika beschleunigt wurde.
Antibiotika-Resistenzen und Ausbreitung
„Zahlreiche Antibiotika gegen den typischen Erreger des häufig auftretenden Harnwegsinfektes sind heutzutage wirkungslos – und das ist nur eines von vielen Beispielen. Bakterien, die gegen bestimmte Antibiotika resistent sind oder Resistenzen erworben haben, werden durch eine Behandlung nicht mehr gehemmt oder abgetötet. Sie können sich ungehindert vermehren und ihre Resistenz-Gene auch auf andere Bakterien übertragen. So breiten sich Resistenzen aus“, sagt Dr. med. Edwin Heucke. Er ist seit Anfang 2018 sogenannter Antibiotic Stewardship Experte in den Helios Kliniken Neindorf, Zerbst/Anhalt, Burg, Köthen und Vogelsang-Gommern.
666 Tonnen Antibiotika in der Humanmedizin, aber…
In der Humanmedizin wurden im Jahr 2016 in Deutschland 666 Tonnen Antibiotika durch Krankenhäuser, Ärzte und Apotheker abgegeben. Hiervon entfallen zwischen fünf und zwanzig Prozent auf stationär, also in Krankenhäusern, verordnete Antibiotika. Somit wird der überwiegende Anteil der Antibiotika im ambulanten Bereich verordnet.
742 Tonnen Antibiotika in der Tiermedizin
In der Tiermedizin hingegen lag die Antibiotikaabgabemenge an Tierärzte im Jahr 2016 bei 742 Tonnen und somit über der Abgabemenge in der Humanmedizin. Grund hierfür ist der übermäßige Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung. Ein Beispiel: Die Lebenszeit eines Masthähnchens beträgt im Durchschnitt 40 Tage. An 10 von 40 Tagen erhält es Antibiotika. „Die Ausbreitung von Antibiotika-Resistenzen verursacht auch in der Nutztierhaltung Probleme und erschwert die Behandlung von an bakteriellen Infektionen erkrankten Tieren. Problematisch ist zudem, dass resistente Bakterien von Tieren auf den Menschen übertragen werden können. Eine Übertragung ist dabei nicht nur bei Kontakt mit einem infizierten Tier möglich, sondern auch durch den Kontakt mit dem Fleisch geschlachteter Tiere, das mit resistenten Erregern kontaminiert ist. Auch gelangen resistente Erreger aus großen Schlachtbetrieben in die Umwelt“, so der Antibiotika-Experte.
Die alte Lehre stimmt nicht mehr
„Die reinen Verbrauchsdaten lassen keine Rückschlüsse über den indikationsgerechten Einsatz von Antibiotika am Patienten zu. Wir wissen aber, dass Ärzte bei rund 80 Prozent der Atemwegsinfektionen Antibiotika verordnen, obwohl diese in der Regel durch Viren verursacht werden“, sagt Dr. med. Edwin Heucke. Auch die alte Lehre, ein Antibiotikum muss bis zum Schluss genommen werden, ist überholt. „Viele Antibiotika-Therapien führen schneller zum Erfolg als bislang angenommen. Das heißt, dass wir viel früher mit der Gabe von Antibiotika aufhören können. Wir empfehlen gezielte Antibiotikatherapien statt Breitbandantibiotikum und kürzere Einnahmezeiten statt Dauertherapie.“
Beratung und Schulung im Klinikalltag
„Die Masse an Informationen zur Wirkweise und zum Einsatz der fast 200 in Deutschland zugelassenen Antibiotika ist einfach zu umfangreich für die tägliche Arbeit. Eine Integration dieses Wissens in den Klinikalltag ist oft schwierig, weil es nirgends gebündelt vorliegt. Als Antibiotic Stewardship Experte habe ich einen Überblick über aktuelle Leitlinien und Entwicklungen und unterstütze die Klinikärzte bei der Therapiewahl, auch indem ich sie kontinuierlich schule und komprimierte Leitlinien für den Alltag zur Verfügung stelle“, erklärt Dr. med. Edwin Heucke.
Agieren statt reagieren
„Wenn wir frühzeitig bessere Therapien ansetzen und sensibler im Umgang mit Antibiotika sind, legen wir einen wichtigen Grundstein für die dauerhafte Wirksamkeit von Antibiotika-Medikamenten und arbeiten aktiv gegen zunehmende Resistenzen. Für den klinischen Bereich sind wir bereits auf einem guten Weg, was die aktuellen Verbrauchszahlen belegen“, so Dr. Heucke weiter.
Aktionsmonat Hygiene
Die Helios Kliniken in Burg, Neindorf, Köthen, Vogelsang-Gommern und Zerbst informieren vom 1. bis 31. Mai 2019 in einem Aktionsmonat zu vielen Themen rund um die Krankenhaushygiene. Info-Postkarten klären vor Ort in den Kliniken beispielsweise über korrekte Händedesinfektion und den Umgang mit Antibiotika.