Tauchzug ins Leben

Tauchzug ins Leben

Schkeuditz

Die Geburt ist der Anfang einer lebensgefährlichen Reise, sagt der deutsche Aphoristiker Erwin Koch. Schon die erste Station offenbart sich als einschneidendes Erlebnis - für Mutter und Säugling gleichermaßen. Seit Generation suchen engagierte Mediziner:innen und Geburtshelfer:innen daher nach Wegen, den Vorgang der Geburt für Mutter und Kind so stress - und schmerzfrei wie möglich zu gestalten. Eine Variante ist dabei die Geburtswanne. Im Höhepunkt der Schwangerschaft, im neunten Monat, liegt die Gewichtszunahme der Frauen je nach Körpergröße und vorherigem Gewicht bei 10 bis 16 Kilogramm. Es ist also ein ordentliches Paket, was die Mütter am Leib mit sich herumtragen. Entspannungsbäder, versetzt mit ätherischem Öl, können da durchaus wohlfühlende Momente bringen. Viel wärmer als 37 Grad Celsius sollte das Wasser allerdings nicht sein. „Alles was darüber hinaus geht, bedeutet Stress für das Kind in der Gebärmutter“, erläutert Hebamme Silke Brotka von der Helios Klinik Schkeuditz.

Willkommenes Wannenbad

Diesen Wohlfühleffekt des Wassers machen sich seit Jahrzehnten Gebärende zunutze, indem sie ihre Kinder in einer Geburtswanne zur Welt bringen. Die Vorteile dieser Methode liegen durchaus auf der Hand. Eine Wassergeburt kann die Geburt verkürzen, nicht zuletzt, da der Körper im warmen Wasser entspannt und sich der Muttermund dadurch schneller öffnet. „Auch die Wehen sind weniger schmerzvoll“, ergänzt Silke Brotka.

Hunderte Frauen entbinden jedes Jahr im Klinikum Schkeuditz. Gut die Hälfte von ihnen nimmt das Angebot eines Entspannungsbades an. „Viele von ihnen wünschen sich auch eine Wassergeburt. Jedoch nur vier Prozent der Gebärenden wollen es oder erfüllen die notwendigen Voraussetzungen. Alle anderen entbinden 'an Land'“, sagt sie mit einem Augenzwinkern. Gründe der medizinischen Ablehnung können neben u. a. eine anstehende Mehrlingsgeburt, vorherige Blutungen in der Spätschwangerschaft, Krampfadern, Auffälligkeiten in den Herztönen des Kindes sowie Erkrankungen an Hepatitis B oder B-Streptokokken sein. Bei Letzterem handelt es sich um Bakterien, die bei etwa 10 bis 30 Prozent aller Schwangeren in der Scheide oder im Darm auftreten, ohne dabei Beschwerden zu verursachen oder eine unmittelbare Gefahr für die Schwangere darzustellen. Kommen Neugeborene damit in Berührung, kann das eine Sepsis auslösen. Auch wenn sich das Kind in der Beckenendlage befindet, also verkehrt herumliegt, muss die Hebamme den Wunsch nach einer Wassergeburt ablehnen.

Natürlicher Tauchreflex

Wenn das Ansinnen der werdenden Mutter nach einer Wassergeburt jedoch erfolgreich ist, stehen ihr und dem Kind ein unvergessliches Erlebnis bevor. „Kinder, die im Wasser geboren werden, weisen nachweislich weniger Geburtsstress auf“, berichtet die Hebamme. Auch nach der Entbindung verhalten sie sich ruhiger, ergänzt Silke Brotka, die in vierzig Berufsjahren mehr als 2.000 Geburten begleitet hat.

Da Neugeborene von Natur aus einen natürlichen Tauchreflex besitzen, der sich im Laufe der kommenden Monate allerdings wieder verliert, „warten“ sie mit dem ersten Atemzug, bis sie oberhalb der Wasserfläche sind. Hier sorgen verschiedene Reize dafür, dass das Kind innerhalb weniger Sekunden selbst zu atmen beginnt. Dazu gehören etwa die kältere Umgebungstemperatur oder Geräusche. „Bei einer Wassergeburt beginnt das Leben erst, wenn sich der Kopf aus dem Wasser hebt. Ein einzigartiger Moment, auch für uns Hebammen und die Ärzt:innen“, schwärmt Silke Brotka. Anwesende Väter, nicht selten mit der Kamera in der Hand, sind daher darauf bedacht, beide Augenblicke im Bild festzuhalten - die wenigen Sekunden unter und den darauffolgenden ersten Atemzug über der Wasseroberfläche.

In der Helios Klinik Schkeuditz sind alle Kreißsäle auf das Modernste eingerichtet. Seit 1998 auch mit einer Geburtswanne. Beste Voraussetzungen also für einen guten Start ins Leben. Routine stellte sich dabei für die Geburtshelfer:innen aber nie ein. „Keine Geburt ist plan- oder vorhersehbar. Das Betreten unserer Welt ist somit immer ein wundervoller, einmaliger Vorgang, ein Schritt in ein hoffentlich langes und gesundes Leben“, bekräftigt Silke Brotka.