Über die Seelsorge: Der Tod steht hinter uns – bis wir uns umdrehen. Begleitung in guten und in schweren Tagen.

Über die Seelsorge: Der Tod steht hinter uns – bis wir uns umdrehen. Begleitung in guten und in schweren Tagen.

Die evangelische Krankenhausseelsorgerin Dietlind Starke und der katholische Krankenhausseelsorger Martin Otte stehen den Patient:innen – und auch den Mitarbeitenden – im Helios Standort Leipzig mit offenem Ohr und Herz zur Seite. Sie begleiten Menschen durch Krankheit und Heilung, auf unterschiedlichen Wegen. Die Traditionen und Rituale ihrer Religionen stehen den beiden dabei als Ressource zur Verfügung – sofern das gewünscht ist.

„Guten Tag, ich bin Dietlind Starke, ich bin die evangelische Krankenhausseelsorgerin. Ich habe gesehen, dass Sie evangelisch sind und möchte Sie besuchen. Ist es Ihnen jetzt recht?“, skizziert die Pfarrerin einen möglichen Gesprächseinstieg. Sie steht unseren Patient:innen seit 2015 als Seelsorgerin bei. Letztes Jahr kam ihr Kollege, der Gemeindereferent Martin Otte hinzu. Er erklärt den Gesprächseinstieg weiter: „Man schafft erstmal eine Atmosphäre und guckt für sich selbst, wo ein guter Platz für das Gespräch ist. Vieles ist nonverbal“, fährt er fort, „viel Augenarbeit und Gefühl für die Situation. Ich muss mich innerhalb von Sekunden in den Raum hineinfühlen. Einen Raum, wo zwei Menschen mit ihren Krankheiten und ihren Geschichten liegen. Und dann gucken wir: Ist das so okay? Könnte sich daraus was entwickeln? Aber ohne Zwang. Einfach durch eine Offenheit.“ Martin Otte und Dietlind Starke bringen jeweils fast zwanzig Jahre Berufserfahrung aus ihren Gemeinden mit. Während die Seelsorge dort nur ein Teil ihrer Tätigkeit war, haben die beiden bei Helios die Möglichkeit, sie zu ihrer Hauptaufgabe zu machen. Aus genau diesem Wunsch erwuchs für beide der Wunsch nach einem Jobwechsel: Näher an den Menschen zu sein, sie in existenziellen Zeiten zu begleiten. Und diesen inneren Antrieb spüren wohl auch die Patient:innen. In den allermeisten Fällen gelingt ihnen der Gesprächseinstieg und ihr Gegenüber fasst Vertrauen: „Ich freue mich, dass Sie an mich gedacht haben und hergekommen sind. Damit habe ich nicht gerechnet."

Zuhören und nicht gleich die Antwort wissen

„Ich komme nicht in erster Linie als Pfarrerin, sondern als Mensch, der ein Gespräch anbietet. Der Patient oder die Patientin bestimmt selbst, wohin und wie tief sie dabei gehen. Und ich gebe Resonanz“, reflektiert Dietlind Starke. Doch wie kommt die Gesprächssituation überhaupt zustande? Wie sieht der Alltag in der Krankenhausseelsorge aus? „Regulär schauen wir zuerst in die Patientenliste: Wer ist da? Wer hat einen Bedarf oder Wunsch angemeldet? Das kriegen wir auf verschiedenen Wegen mit. Es wird angekreuzt, uns telefonisch oder per Mail mitgeteilt oder wir erfahren es auf den Stationen. Und dann stellen wir unseren Plan zusammen, wen wir besuchen“, beschreibt Martin Otte den Arbeitsablauf, Dietlind Starke fügt hinzu: „Doch ganz obendrauf ist immer die Rufbereitschaft. Wenn da jemand liegt, dessen Situation so existenziell ist, dann   wird die Begleitung intensiver.“ Ein geplanter Besuch dauert mal zwanzig Minuten, mal eineinhalb Stunden. Je nach Anlass und abhängig von der verfügbaren Energie der Patient:innen. Den Inhalt und die Tiefe bestimmen die Gesprächspartner:innen immer selbst. Dietlind Starke und Martin Otte kommen als Resonanzgebende, Zuhörende, Mitfühlende und Hoffnungschenkende. „Ganz wichtig ist Zuhören und nicht immer gleich die Antwort wissen. Wir neigen als Menschen sehr stark dazu, Lösungen anbieten zu wollen“, legt Martin Otte dazu. „Wenn unsere Meinung gefragt sein sollte, dann können wir Rede und Antwort stehen. Und wenn etwas aus dem christlichen Horizont gedeutet werden soll, werden wir das auch gerne tun, weil das ja unser Background ist. Aber wir zwingen das niemandem auf. Im Gegenteil.“

Der Glaube als Ressource

Als evangelische und katholische Seelsorgende sind  Dietlind Starke und Martin Otte natürlich auch  mit christlichen Traditionen und Ritualen  vertraut. Neben dem Fortschritt und der Heilung, welche die beiden begleiten dürfen, geht es oftmals jedoch um den Umgang mit unheilbarer Krankheit und dem Beistand auf dem letzten Weg. „Ich sehe unsere Rituale, die Gottesdienste und all das, als Ressource: Ich übe etwas ein, damit es mir in dem Moment zur Verfügung steht, wo es existenziell wird und wo mich nichts anderes mehr hält, sagt die Pfarrerin. „Wir können segnen, die Krankensalbung spenden, miteinander Abendmahl feiern, beten, singen und auch eine Andacht am Krankenbett halten. Wenn ein Angehöriger stirbt, bieten wir den Hinterbliebenen eine Aussegnung an. Auf diese Weise können wir auch das Abschiednehmen gut begleiten. Die Bedürfnisse der Patient:innen und ihrer Angehörigen steht dabei immer an höchster Stelle – egal, welcher Konfession sie angehören oder ob sie einer angehören. Wir schauen, was jemand braucht und können etwas aus unserem Erfahrungsschatz anbieten, sagt Martin Otte.

Der Mut, sich umzudrehen

Und genau da liegt wohl das höchste Gut – Dietlind Starke beschreibt es mehrfach als Absichtslosigkeit. Die beiden praktizieren die Seelsorge genau in dem Stil, den der oder die Betroffene gerade braucht. Das kann ein Gespräch über das Leben sein, das Teilen der Ängste, einfach mal alles rauszulassen und zu klagen oder eben die tatsächliche Sterbebegleitung. Das Spektrum ist so breit, wie das Menschsein selbst. Und in der Arbeit der beiden geht es nicht um ein Therapie- oder Lösungsangebot – es geht darum, Beistand zu leisten, wenn er am nötigsten ist.  „Ich mache das Angebot, für die Sterbenden so oft da zu sein, wie sie es brauchen. Zweimal jeden Tag, wenn das gewünscht ist. Manchmal sprechen wir, beten gemeinsam oder halten die Stille aus. Das ist auch eine Kunst, die man erlernen muss“, sagt Martin Otte nachdenklich. „Der Glaube, die Hoffnung auf das ewige Leben, das ist eine zusätzliche Kraftquelle für uns Christen.  Es ist gut zu wissen, dass wir die schweren Wege des Lebens nicht allein, sondern mit Gott gehen können.