„Ich habe dem Team so viel abverlangt – die sind der Wahnsinn!“

„Ich habe dem Team so viel abverlangt – die sind der Wahnsinn!“

Sabrina Tischer ist seit 2010 als Intensivpflegekraft im Herzzentrum Leipzig tätig. Seit 2018 leitet sie die herzchirurgische Intensivstation. Die Tochter eines Feuerwehrmanns sagt über sich, dass sie in Ausnahmesituationen erst richtig aufgeht und die Herausforderung schon immer gesucht hat.

Während der Pandemie traut sie es sich darum zu, die Covid-Intensivstation mitzuleiten – erfolgreich.

Ich habe eine übelste intrinsische Motivation. Ich liebe meine Arbeit. Das ist mein Zuhause. Hätte ich hier ein Zelt, würde ich gleich dableiben.

Sabrina Tischer, Intensivpflegekraft im Herzzentrum Leipzig

An Leidenschaft mangelt es Sabrina Tischer bestimmt nicht. Auch das Statement, warum sie sich für die Arbeit auf der Isolierstation entschieden habe, kommt wie aus der Pistole geschossen: „Es ist eben Pandemie.“ Für die Stationsleiterin der herzchirurgischen ITS stehen die Versorgung der Patient:innen und das Wohl ihrer Mitarbeitenden über allem. Seit Beginn der Pandemie werden aus ihrem Team immer mehr Leute wegen ihrer intensivmedizinischen Expertise auf die Isolierstation gebeten. Darum brennt es ihr unter den Nägeln, sich für diese Kolleginnen und Kollegen zu engagieren. „Es war mir sehr wichtig, dass meine Leute gut versorgt sind. Und ich für adäquate Rahmenbedingungen sorge.“ Als Teil des vierköpfigen Leitungsteam übernimmt sie darum die Führungsverantwortung der Covid-ITS.

Das Team ist zusammengewachsen.

Trotz der massiven mentalen und körperlichen Herausforderung sagt Sabrina Tischer überzeugt, dass sie in dieser Zeit sehr viel gelernt habe – über sich und den Umgang mit anderen. „Das Corona-Team war das herzlichste überhaupt. Das war das Allerbeste daran. Sie sind so gut miteinander umgegangen“, schwärmt sie über den Zusammenhalt des zusammengemischten Kollegiums, „das hat man im ganzen Haus gehört: Viele entschieden sich vor allem für die Corona-Station, weil die Mitarbeitenden hier so toll miteinander umgegangen sind.“

Auch Kolleginnen und Kollegen, die lange nicht mehr am Intensivbett standen, werden geduldig und herzlich an das Ungewohnte herangeführt. „Sie haben gegenseitig auf sich aufgepasst. Ob es ums Einschleusen ging oder einfach ‚Mensch, das habe ich schon lange nicht mehr gemacht. Wie geht das? ‘ Das war super.“ Entgegen vieler Erwartungen wachsen die Mitarbeitenden verschiedener Häuser und Fachrichtungen zu einem soliden Team zusammen.

Es kommt auf die Mitarbeitenden an

Dieser Zusammenhalt ist besonders in starken Belastungssituationen wichtig.

Aus dieser Phase habe ich ganz viel mitnehmen können für mich. Zum Beispiel die Kommunikation in Angstsituationen – die Mitarbeitenden abzuholen,

reflektiert Sabrina Tischer.

Neben der Organisation sieht sie auch die mentale, psychische Betreuung der Mitarbeitenden in einem gewissen Maß in ihrer Zuständigkeit. „Wir haben so nah beieinander gearbeitet, da muss man selbst auch das Menschliche zeigen. Dass ich vielleicht auch gerade Angst habe. Menschen kommunizieren ja nicht nur verbal, sondern auch nonverbal. Und darauf kann ich jetzt viel besser eingehen.“ Diese empathische Führung von Sabrina Tischer, die parallel auch weiterhin ihre Heimatstation leitet, ist einer der Gründe, warum alle trotz extremer Umstände durchhalten.

„Ich habe ihnen so viele Dienste abverlangt, sie ins Frei geschickt und dann wieder zum Dienst geholt. Was sie an Durchhaltevermögen, Flexibilität und Einsatzbereitschaft gezeigt haben, war einfach Wahnsinn“, staunt sie anerkennend, „sie wussten: ‚Jetzt kommt es auf uns an‘. Ich bin ganz doll stolz auf sie – wirklich. Wir haben Patienten noch und nöcher betreut – in einer absoluten Vollmaskierung von oben bis unten Kittel und Visier. Und die haben trotzdem gelacht und hatten Spaß.“ Auch die Stationsleiterin selbst sagt, dass sie trotz Anspannung jeden Tag gern auf Arbeit kommt: „Ich weiß und wusste, dass das nur temporär ist. Also ziehe ich ordentlich durch und irgendwann gibt es auch wieder eine Ruhephase.“

Ausnahmezustand zum Beruf gemacht

Auch auf ihrer Heimatstation, der herzchirurgischen ITS, lebt Sabrina Tischer ihren empathischen, bestärkenden Führungsstil gemeinsam mit ihrem Team. Dieses hält ihrer Leiterin in der Zeit der doppelten Verantwortung den Rücken frei, wo nur möglich. Während des Gesprächs wird im OP-Saal nebenan gerade ein Herz transplantiert – der Patient wird später von Tischers Team versorgt werden. Ausnahmezustand – den haben sich hier die meisten zum Beruf gemacht. Doch wie entspannt man, wenn es jeden Tag ums Eingemachte geht?

In der Natur Fahrradfahren oder Spazierengehen. Und mein Häschen Hazel freut sich auch noch, wenn ich das dritte Mal zum Wohnzimmer reinkomme – sie ist eine gute Ablenkung,

erzählt die Stationsleiterin schmunzelnd.