Blutverdünner und Covid-19 – eine gute Kombination?
Die Bedeutung der Gerinnungshemmer

Blutverdünner und Covid-19 – eine gute Kombination?

Berlin

Zu Beginn der Covid-19 Pandemie galt Corona zunächst als reine Lungenerkrankung. Zunehmend zeigt sich jedoch, dass nicht nur Atemwege und Lunge betroffen sind, sondern das Virus auch die Blutgerinnung beeinflusst. Doch was heißt das für Infizierte?

Immer häufiger weisen an Covid-19 Erkrankte Gerinnungsstörungen mit einem erhöhten Risiko für die Bildung von Blutgerinnseln (Thromboembolien) auf. Diese entstehen sowohl in den Gefäßen, die Blut vom Herzen wegführen (Arterien) als auch in den Gefäßen, die Blut zum Herzen hinführen (Venen). Privatdozentin Dr. Janine Pöss, Oberärztin der Universitätsklinik für Kardiologie - Helios Stiftungsprofessur Herzzentrum Leipzig, ordnet die neuesten Erkenntnisse rund um das Corona-Virus und Blutverdünner für uns ein.

Was sind Blutverdünner?

Bei Gerinnungshemmern, umgangssprachlich Blutverdünnern, handelt es sich um gerinnungshemmende Medikamente, die dafür sorgen, dass bestimmte Bestandteile des Blutes nicht so leicht aneinanderhaften.

Die Bezeichnung "Blutverdünner" ist nicht ganz treffend, denn das Blut wird nicht flüssiger, sondern die Gerinnungsfähigkeit des Blutes gemindert.

Priv.-Doz. Dr. Janine Pöss, Oberärztin der Universitätsklinik für Kardiologie – Helios Stiftungsprofessur | Herzzentrum Leipzig

Wie wirken Blutverdünner?

Gerinnungshemmende Medikamente wirken auf die Gerinnungsfähigkeit des Blutes, um die Bildung eines Thrombus (Blutpfropf) zu verhindern. "Die Gerinnungsfähigkeit des Blutes ist für den Menschen lebenswichtig, um bei Verletzungen einen hohen Blutverlust zu verhindern", so Dr. Pöss.

Gerinnungshemmer werden bei bestimmten Erkrankungen eingesetzt, um der Bildung von Blutgerinnseln vorzubeugen, die zu Herzinfarkten, Schlaganfällen und Venenthrombosen führen können.

Frau in Schutzkittel mit Blutkonserve
Blutkonserven durch Blutspenden werden auch während Corona benötigt | Foto: Helios

Je nach Wirkstoff hemmen sie die Bildung oder Wirkung bestimmter Gerinnungsfaktoren. So können Blutplättchen nicht so leicht verklumpen. Welche Art von Gerinnungshemmer infrage kommt, hängt von der Grunderkrankung des Patienten sowie dem Alter, Begleiterkrankungen oder Risikofaktoren für Blutungskomplikationen ab. Diese komplexe Entscheidung muss nach sorgfältiger Abwägung durch den behandelnden Arzt getroffen werden.

Was passiert bei der Bildung eines Thrombus?

Bei der Bildung eines Thrombus entsteht ein Blutgerinnsel. Hierbei handelt es sich häufig um eine physiologische Reaktion mit der der Körper auf Verletzungen reagiert und somit einem starken Blutverlust vorbeugt. Somit ist die Thrombenbildung für den Menschen primär positiv und wichtig. Im Rahmen verschiedener Erkrankungen wie beispielsweise dem Herzinfarkt, dem Schlaganfall, der Venenthrombose oder der Lungenembolie liegt jedoch eine krankhafte Blutgerinnselbildung vor. Hierdurch können lebensbedrohliche Beschwerden auftreten. Daher müssen schnell medizinische Maßnahmen ergriffen

Gerinnungshemmer in der Covid-19 Therapie: Das ist bekannt

SARS-CoV-2 führt häufig zu einer Bildung von Blutgerinnseln. Eine Therapie mit gerinnungshemmenden Medikamenten kann dieses Risiko reduzieren. Allerdings können die Medikamente auch zum Auftreten von Blutungen führen. Die Entscheidung für oder gegen eine blutverdünnende Therapie muss durch den Arzt über eine individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen.

Alle im Krankenhaus behandelten Patienten sollten eine medikamentöse Behandlung zur Prophylaxe einer Blutgerinnselbildung im venösen Gefäßsystem erhalten.

Priv.-Doz. Dr. Janine Pöss, Oberärztin der Universitätsklinik für Kardiologie – Helios Stiftungsprofessur | Herzzentrum Leipzig

Die medikamentöse Thromboseprophylaxe wird meistens subkutan (unter die Haut) gespritzt.

"Beobachtungsstudien legen nahe, dass bei intensivpflichtigen Covid-19 Patienten eine prophylaktische Behandlung nicht ausreichend wirksam ist, sodass eine intensivere Blutverdünnung erwogen werden sollte. Laut den Leitlinien-Empfehlungen zur intensivmedizinischen Therapie von Patienten mit COVID-19 kann dies jedoch nicht routinemäßig bei allen mit SARS-CoV-2 infizierten Patienten empfohlen werden", sagt die Expertin.

Frau in Schutzkittel mit Blutkonserve
Oberärztin PD Dr. Pöss bei der Arbeit in der Blutbank | Foto: Helios

Vielmehr seien dies Einzelfallentscheidungen, die durch die behandelnden Ärzte getroffen werden müssen. Hierbei werden unter anderem das Risiko für das Auftreten von Thrombembolien und das Risiko für Blutungen gegeneinander abgewogen.

Covid-19 Patienten mit gesicherten Thrombembolien müssen in der Regel mit einer therapeutisch dosierten Blutverdünnung behandelt werden. Das gilt auch für Patienten mit anderen Grunderkrankungen, die unabhängig von der Covid-19 Infektion einer Blutverdünnung bedürfen, etwa bei künstlichen Herzklappen und bestimmten Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern.

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Thrombembolie kurz erklärt:

Bei einer Thrombembolie löst sich ein Blutgerinnsel von der Wand eines Blutgefäßes ab und wird innerhalb der Blutbahn weitertransportiert. In der Folge bleibt es in einem Blutgefäß stecken und verschließt dieses, wodurch der Bereich hinter der Verstopfung schlechter oder nicht mehr durchblutet wird. Die klinischen Folgen, etwa Schlaganfall oder Lungenembolie, sind zum Teil lebensbedrohlich und erfordern eine schnelle medizinische Intervention.

Welche Gerinnungshemmer gibt es und wie wirken sie bei Covid-19?

"Bei Menschen, die am SARS-CoV-2 Virus erkrankt sind, erfolgt die Behandlung vor allem mit Heparinpräparaten", so PD. Dr. Pöss. Diese stellen eine medikamentöse Thromboseprophylaxe sicher und sollten allen stationär behandelten Patientinnen und Patienten mit Covid-19 verabreicht werden. In der Regel erfolgt die Gabe von Heparin subkutan, bei Betroffenen auf der Intensivstation häufig auch intravenös. Die blutgerinnungshemmende Wirkung von Heparin beruht auf der Aktivierung des Gegenspielers der Blutgerinnung Antithrombin III.

Bei Patienten, die während ihres Krankenhausaufenthaltes ein thromboembolisches Ereignis, wie eine Lungenembolie oder Venenthrombose hatten, muss auch nach der Entlassung über eine gewisse Zeit eine Blutverdünnung erfolgen. Die Medikamente können dabei meistens oral eingenommen werden.

Zu den Hauptvertretern zählen Cumarine (Phenprocoumon, Warfarin) oder sogenannte direkte orale Antikoagulanzien (DOAKS: Apixaban, Edoxaban, Rivaroxaban oder Dabigatran).

Cumarine hemmen die Bildung von Vitamin K, das für den Aufbau aktiver Gerinnungsfaktoren im Blut benötigt wird. Die direkten oralen Antikoagulanzien üben ihre Wirkung über die direkte Hemmung eines Schlüsselenzyms der Gerinnung aus.

Priv.-Doz. Dr. Janine Pöss, Oberärztin der Universitätsklinik für Kardiologie – Helios Stiftungsprofessur | Herzzentrum Leipzig

Einige Patienten weisen bereits vor einer Infektion mit dem Virus SARS-CoV-2 eine Grunderkrankung auf, die einer therapeutischen Blutverdünnung bedarf. Diese Maßnahme wird im Krankenhaus auch fortgesetzt, wenn eine Covid-19 Erkrankung vorliegt. Ob die Behandlung mit denselben Medikamenten wie zuhause erfolgen kann oder auf Heparin umgestellt wird, entscheidet der behandelnde Arzt. Heparin hat den Vorteil, dass es kürzer wirksam ist und somit besser steuerbar. Das heißt, dass es bei Blutungen oder vor invasiven Eingriffen schnell absetzbar ist.  

Senkt eine Behandlung mit Blutverdünnern die Sterberate?

Die Frage, ob die Gabe mit Gerinnungshemmern die Sterberate von Covid-19 Patienten senkt, kann nicht global für alle Patientinnen und Patienten beantwortet werden.

Einige Studien deuten darauf hin, dass vor allem kritisch kranke Covid-19 Patientinnen und Patienten von einer blutverdünnenden Behandlung profitieren können.

Priv.-Doz. Dr. Janine Pöss, Oberärztin der Universitätsklinik für Kardiologie – Helios Stiftungsprofessur | Herzzentrum Leipzig

"Allerdings ist die Studienlage noch lückenhaft, sodass die Entscheidung bezüglich der Intensität einer blutverdünnenden Therapie immer im Einzelfall durch die behandelnden Ärzte erfolgen muss. 

Keine pauschale Gabe von Gerinnungshemmern bei Covid-19-Infektion

Eine Infektion mit SARS-CoV-2 ist in jedem Alter möglich. Schutzmaßnahmen können die Verbreitung des Virus verlangsamen und sind wichtig, bis es einen Corona-Impfstoff gibt. Erkrankte mit schweren Verläufen müssen oft künstlich beatmet werden. In den letzten Monaten zeigte sich zudem, dass das Virus nicht nur die Lunge befällt, sondern auch andere Organe und zu Thromben führen kann. Gerinnungshemmer können hier gegenwirken, sollten jedoch nicht pauschal verabreicht, sondern immer einer Nutzen-Risiko-Abwägung unterzogen werden.
 

Dieser Artikel gibt den derzeitigen Wissensstand des zuletzt aktualisierten Datums wieder. Er wird regelmäßig nach den neuesten wissenschaftlichen und medizinischen Kenntnissen aktualisiert.