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Corona und Schwangerschaft: Was werdende Eltern wissen sollten

Welches Risiko birgt eine SARS-CoV-2-Infektion für Mütter und ihr ungeborenes Kind? Sollten sich Schwangere gegen das Virus impfen lassen? Unsere Expert:innen Dr. Cathrin Kodde und Prof. Dr. Michael Friedrich geben Antworten.

15. März 2021
Junge Frau wird geimpft

Erhöhtes Infektionsrisiko während der Schwangerschaft?

Die meisten Corona-Erkrankungen von Schwangeren verlaufen weitestgehend ohne oder nur mit leichten Symptomen. Das liegt daran, dass Schwangere naturgemäß zur jüngeren Altersgruppe gehören. Vor allem im ersten und zweiten Trimester liegt die Wahrscheinlichkeit für einen schweren Verlauf bei etwa zwei Prozent. Im dritten Trimester wiederum erhöht sich die Zahl leicht auf etwa vier Prozent. Woran das genau liegt, ist noch unklar.

„Im Vergleich zu nicht-schwangeren Frauen im selben Alter ist das Risiko für einen schweren Verlauf damit leicht erhöht. Dies hat mutmaßlich auch mit der Doppelbelastung des Immunsystems zu tun, das hier zwei Kreisläufe zu schützen hat,“ erklärt Prof. Dr. Michael Friedrich, Chefarzt der Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Helios Mutter-Kind-Zentrum in Krefeld.

Welche Risikofaktoren gehen mit Corona in der Schwangerschaft einher?

Eine Übertragung des Corona-Virus über die Plazenta auf das Kind ist nach aktuellem Stand der Wissenschaft sehr selten, dazu müsste sich das Virus vor allem im Blut sowie in der Plazenta ansiedeln und beim Kind an den passenden Rezeptoren andocken. Es gibt vereinzelte Meldungen über infizierte Neugeborene, jedoch ist nicht immer ganz klar, wann die Ansteckung erfolgte, sprich vor, während oder nach der Geburt.

Infektionen bei neugeborenen Kindern sind selten symptomatisch und die Infektionsrate ist nicht höher, wenn das Kind vaginal geboren wird, gestillt wird oder bei der Mutter verbleibt. Wenn es tatsächlich in der Schwangerschaft zu einem schweren Covid-Verlauf kommt, ist die Behandlung immer schwieriger, weil bei der Medikamentengabe auch immer der Einfluss auf das ungeborene Kind mitbedacht werden muss. „Sollte die Lunge der Mutter stark betroffen sein und dadurch die Sauerstoffversorgung im Blut fallen, hat das natürlich auch Auswirkungen auf das Kind. Hier wird dann eventuell ein Kaiserschnitt notwendig,“ sagt der Chefarzt. Fehlbildungen bei Kindern durch eine Ansteckung der Mutter mit SARS-CoV2 in der Schwangerschaft sind nicht bekannt.

Wie lauten die Empfehlungen für eine SARS-CoV2-Impfung für Schwangere?

Die Ständige Impfkommission (STIKO) des Robert-Koch-Instituts (RKI) empfiehlt allen Schwangeren ab dem zweiten Trimenon die Impfung gegen COVID-19 mit zwei Dosen eines mRNA-Impfstoffs. Wenn die Schwangerschaft nach bereits erfolgter Erstimpfung festgestellt wurde, sollte die Zweitimpfung erst ab dem zweiten Trimenon durchgeführt werden. Die Empfehlung erstreckt sich auch auf ungeimpfte stillende Mütter.

Helios Klinikum Krefeld

Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe

Im Vergleich zu nicht-schwangeren Frauen im selben Alter ist das Risiko für einen schweren Verlauf leicht erhöht. Dies hat mutmaßlich auch mit der Doppelbelastung des Immunsystems zu tun, das hier zwei Kreisläufe zu schützen hat.

Hat der Impfstoff Einfluss auf die Fruchtbarkeit?

Behauptet wird, dass die Antikörper, die gegen das Spike-Protein (Antigen im Impfstoff) gerichtet sind, sich auch gegen Strukturen der Plazenta richten und dadurch eine Schwangerschaft verhindern. Richtig ist, dass das körpereigene Protein Syncytin-1 und das Spike-Protein des Sars-CoV-2-Erregers eine geringe Gemeinsamkeit besitzen. Würde der Mythos aber stimmen, wären Frauen auch nach einer Corona-Infektion unfruchtbar beziehungsweise bestünde eine Gefahr für die bestehende Schwangerschaft. Aktuelle Studien zeigen dafür keine Hinweise.

Dazu ist noch wichtig zu wissen, wie der Impfmechanismus funktioniert: Der mRNA-Impfstoff enthält die genetischen Informationen für das oben genannte Spike-Protein des Corona-Virus. Diese Informationen werden in die menschliche Zelle eingeschleust, das Protein nachgebaut und dem Immunsystem präsentiert.

Prof. Dr. Friedrich erklärt: „Die mRNA wird dann innerhalb kürzester Zeit wieder abgebaut und nicht in die menschliche DNA eingebaut. Denn sie liegt im Zellkern, bleibt bei diesem Prozess unangetastet und wird nicht umgeschrieben.“

Studie zeigt keine schweren Krankheitsverläufe

Die Studie mit Daten aus der ersten bis dritten Welle wurde im renommierten Fachblatt „Clinical Microbiology and Infection“ veröffentlicht. Ergebnis: Zwar erkrankten mehr schwangere Frauen in der zweiten und dritten Corona-Welle – jedoch gab es in der untersuchten Gruppe weder schwerwiegendere Verläufe noch einen Todesfall.

Wie gingen die Forscher:innen vor?

Die Ärzt:innen untersuchten für die Studie Frauen im gebärfähigen Alter (16 bis 49 Jahre), die zwischen dem 7. März 2020 und dem 17. April 2021 in eines von 76 Helios Krankenhäuser aufgenommen wurden. Die Informationen zu Alter, Verlegung auf die Intensivstation, invasiver und nichtinvasiver Beatmung sowie Begleiterkrankungen gewann die Studiengruppe aus den Leistungsdaten der Kliniken – jener Dokumentation also, die Auskunft über die Behandlungen der Patientinnen gibt. Insgesamt wurden 1.879 Frauen betrachtet, von denen 532 schwanger waren.

Mehr Schwangere in zweiter und dritter Welle im Krankenhaus

Die Zahlen zeigen: In der zweiten und dritten Welle ab September 2020 beziehungsweise Februar 2021 wurden mehr Schwangere mit COVID-19 zur Behandlung in eine Helios Klinik aufgenommen, als in der ersten Welle im Frühjahr 2020. Auch nahm ihr Anteil innerhalb der Gruppe der behandelten Frauen im gebärfähigen Alter merklich zu – von 21 Prozent auf 29,3 Prozent. „Die gute Nachricht ist jedoch: Keine der 532 schwangeren Patientinnen verstarb. Zudem war die Anzahl schwangerer Patientinnen, die beatmet werden mussten, in den verschiedenen Wellen nicht erhöht“, sagt Dr. Cathrin Kodde, Ärztin am Helios Klinikum Emil von Behring in Berlin und Erstautorin der Studie.

Unerwartete Erklärung für Anstieg

Eine mögliche Erklärung für die steigende Zahl behandlungsbedürftiger Schwangerer zeigt sich in den Daten des Statistischen Bundesamts: Während die Geburtenrate zwischen Dezember 2020 und Februar 2021 auf dem Niveau der Vorjahre geblieben war und die erste Welle scheinbar keinen Einfluss auf die Zahl der Schwangerschaften hatte, stieg die Zahl der Geburten im März 2021 im Vergleich zum Vorjahr um etwa zehn Prozent und erreichte damit den höchsten Stand seit über 20 Jahren. „Das deutet auf einen Anstieg der Empfängnisraten in den Monaten zwischen der ersten und zweiten Welle hin, was zu einer höheren Zahl von schwangeren Frauen in der zweiten Welle führte. Dies wiederum könnte zu dem höheren Anteil an hospitalisierten schwangeren Frauen mit COVID-19 beigetragen haben“, berichtet Dr. Cathrin Kodde.

Eine zweite mögliche Erklärung sieht das Forscherteam in der größeren Aufmerksamkeit gegenüber erkrankten Schwangeren: „In der zweiten Welle gab es vermehrt Berichte über einen womöglich schweren Verlauf bei schwangeren Patientinnen. Daher könnte das medizinische Personal vorsichtiger gewesen sein und schwangere Frauen häufiger zur besseren Überwachung ins Krankenhaus eingewiesen haben,“ erklärt die Expertin.

Keine Bestätigung für schwerere Verläufe

Zwar konnten die Forscher:innen aufgrund fehlender Daten nicht die detaillierten Verläufe infizierter schwangerer Frauen mit denen nicht-schwangerer Frauen vergleichen. Zudem sind bestimmte Verzerrungen möglich, wie beispielsweise die Aufnahme mit COVID-19 gegenüber der Aufnahme wegen COVID-19. Auch wenn zu Helios viele und auch sehr große Krankenhäuser, wie Maximalversorger und Universitätskliniken gehören, können schwangere Patientinnen, die beispielsweise eine Herzlungenmaschine (ECMO) benötigten, an spezialisierte Zentren verlegt worden sein.

Ein Fazit kann die Studiengruppe trotzdem ziehen: „Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir einen erhöhten Anteil schwangerer Frauen unter den mit COVID-19 hospitalisierten Frauen beobachtet haben, was zum Teil auf die höhere Schwangerschaftsrate in der Gesamtbevölkerung zurückzuführen sein könnte. Unsere Daten bestätigen jedoch nicht den zuvor beschriebenen Trend, dass schwangere Frauen in der zweiten Welle der COVID-19-Infektion einen schlechteren Verlauf hatten“, resümiert Dr. Kodde.

Dieser Artikel gibt den derzeitigen Wissensstand des zuletzt aktualisierten Datums wieder. Er wird regelmäßig nach den neuesten wissenschaftlichen und medizinischen Kenntnissen aktualisiert.

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