SOP Myoglobinämie
Als Myoglobinurie wird die Ausscheidung von Myoglobin im Urin bezeichnet. Ursächlich sind alle Krankheitsprozesse oder Verletzungen der quergestreiften- und Herzmuskulatur, die zu erhöhten Myoglobinwerten im Blut (Myoglobinämie) führen. Im Zusammenhang mit einer ausgeprägten Myoglobinurie wie beim Crush-Syndrom kann eine akute Niereninsuffizienz (Crush-Niere) auftreten. Wie wir diese Situation therapieren, beschreiben wir in dieser SOP.
Inhaltsverzeichnis
1 Ursachen
- Traumata (z. B. Crush-Syndrom)
- Elektroschock/Stromunfälle
- Operationen
- Krampfanfälle
- Compartment-Syndrom
- Liegetrauma
- Intensiver Sport/körperlich starke Belastung
- Medikamente/Drogen, z. B.
- Neuroleptika (siehe auch Malignes Neuroleptisches Syndrom),
- Statine
- Schlafmittelintoxikation
- Tokolytika
- Isotretinoin
- Propofol
- Kokain
- Maligne Hyperthermie
- Alkoholexzesse
- Infektiös, vor allem durch Virusinfektionen
- Elektrolytstörung
- Muskelentzündungen
- Stoffwechselstörungen/Endokrinopathien
- Autoimmunerkrankungen
- Sichelzellkrisen
- Gasbrand
- Schlangengifte
- Pilzgifte
2 Maßnahmen
Die untenstehenden Maßnahmen sollten bei einer Myoglobinämie > 1000 μg/l erfolgen.
- Nach Einleiten der Therapie sollte eine erste Myoglobinkontrolle nach 12 Stunden erfolgen.
- Ziel ist eine Diurese von mehr als 1 ml/kg KG/h.
- Die erste Maßnahme ist immer eine adäquate Gabe von Flüssigkeit. In der Regel wird eine Vollelektrolytlösung verwendet, außer bei Hyperkaliämie. Hier kann ein Teil der Flüssigkeit als NaCl 0,9% gegeben werden.
- Das Ziel ist eine forcierte Diurese, d.h. je nach Funktion von Herz-, Lungen-, Nieren- und Elektrolytstatus können (bei Gesunden!!) fraktioniert bei Notwendigkeit bis zu 10 l/d Flüssigkeit zugeführt werden.
- Hauptaugenmerk liegt auf der Ausscheidung! Bleibt sie erhalten und lässt sich der Patient darüber bilanzieren, wird auch bei steigendem Myoglobin die Flüssigkeitssubstitution fortgeführt
- Bei Unsicherheit, ob eine weitere Flüssigkeitsgabe kardial toleriert wird:
- Ein Anstieg der ScvO2 unter Volumengabe spricht für eine stattgehabte Erhöhung des Herzzeitvolumens (HZV) und damit für eine Volumentoleranz. Ggf. Echokardiographie oder Monitoringerweiterung (PiCCO-System).
- Falls die Flüssigkeitsgabe allein nicht zum gewünschten Effekt führt, sollte das Vorliegen eines sehr niedrigen HZV (Herzindex < 3l/m2) und damit einer eingeschränkten renalen Perfusion ausgeschlossen werden. Da in der Regel eine direkte Messung des HZV nicht möglich ist, kann die ScvO2 orientierend benutzt werden. Eine ScvO2 < 60% rechtfertigt den Versuch, mittels Dobutamin (5 - 15 μg/kg/min) eine HZV-Steigerung zu bewirken.
- Ein Verabreichen von Dobutamin muss zu einer Erhöhung des HZV (bzw. der ScvO2) führen und letztendlich auch zu einer Erhöhung der Diurese.
- Ist dies nicht der Fall und/oder führt die Gabe von Dobutamin zu einer Erhöhung der Herzfrequenz von mehr als 20% der Ausgangsherzfrequenz, ist der Versuch abzubrechen.
- Führen beide oben genannten Maßnahmen innerhalb von 3 Stunden nicht zu einer Diurese > 1 ml/kg KG/h, erfolgt ein Therapieversuch mit Furosemid (Perfusor mit 500 mg/50ml mit 2,1 ml/min laufen lassen).
- Führt diese Maßnahme nach 2 Stunden nicht zum erwünschten Effekt, ist umgehend der diensthabende Nephrologe zu rufen (Planung einer CVVH, Anlage eines doppellumigen Katheters)
3 Achtung
Bei Myoglobinerhöhungen im Rahmen einer Reperfusion, z.B. bei Revaskularisation einer schweren Ischämie (z.B. Leriche-Syndrom), ist eine engmaschige Kaliumkontrolle sehr wichtig. Anfangs sollte eine stündliche Kaliumkontrolle durchgeführt werden. Bei stabilen Kaliumwerten kann das Intervall verlängert werden. Schon bei Kaliumwerten > 5 mmol/l sollte CalciumPolystyrol-Sulfonat (CPS-Pulver) verabreicht werden. Falls der Kaliumwert über 5,5 mmol/l steigt, muss eine Rücksprache mit dem diensthabenden Nephrologen erfolgen, da ggf. eine frühzeitige CVVH indiziert ist. Siehe SOP Hyperkaliämie
4 Mitgeltende Doumente
Stand, Kontakt, Haftung
Stand: 27.02.2020
Priv.-Doz. Dr. med. Hendrik Bergert
Chefarzt | Klinik für Gefäßchirurgie und endovaskuläre Chirurgie
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