SOP Heparin-induzierte Thrombozytopenie II
Die Heparininduzierte Thrombozytopenie (HIT) ist eine Erkrankung, bei der durch das Verabreichen von Heparin, einem Mittel zum Hemmen der Blutgerinnungsfunktion, die Anzahl der Thrombozyten (Blutplättchen) abfällt. Wie wir mit dieser unsere Patienten herausfordernde Situation umgehen, regelt diese SOP.
Inhaltsverzeichnis
1 Diagnose
- anhand klinischer Ereignisse
- Nachweis zirkulierender Antikörper (HIT-AK)
- Ausschluss anderer Faktoren für Thrombozytopenie (z.B. Sepsis, DIC)
- Manifestation typischerweise zwischen 5. – 14. Tag nach Beginn der Heparintherapie oder
- auch sofort, wenn Heparintherapie innerhalb der letzten 4 Wochen (selten bis zu 3 Monate)
- hilfreich ist das Erheben der Vortestwahrscheinlichkeit:
2 Punkte | 1 Punkt | 0 Punkte | |
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Thrombo- zytopenie | Abfall der Thrombozyten > 50% | Abfall der Thrombozyten > 30 und < 50% | Abfall der Thrombozyten < 30% |
Zeit des Thrombo- zytenabfalls | Tag 5 – 10 nach Hepa- rinisierung o. Tag 1 | > 10 Tage nach Heparinisierung | < 4 Tage nach Heparinisierung |
Thrombose | neue bestätigte Thrombose, Hautnekrosen, akute systemische Reaktion | Vd. auf Thrombose, nicht nekrotisie- rende Hautläsionen u. rekurrierende Thrombosen | keine |
andere Ursache der Thrombo- zytopenie | nicht vorhanden | möglich | sicher |

3 Therapie
Das Einleiten einer spezifischen Therapie hängt vom Thrombozytenabfall und der Klinik ab!
- Heparinzufuhr stoppen (UFH, NMH)
- Warnhinweis an Patientenbett und -kurve: KEIN HEPARIN GEBEN! HIT!
- Wechsel auf Argatroban (i.v.)
- Zugelassen zur parenteralen Prophylaxe und Therapie thromboembolischer Ereignisse bei Patienten mit nachgewiesener HIT II
- Halbwertszeit (HWZ) 2 h
- gelistet: Argatra Multidose 250 mg/2,5 ml (100 mg/ml); daraus muss die applikationsfertige Lösung (1 mg/ml) hergestellt werden
- Herstellung
- 0,5 ml in 50 ml Infusionslösung (Natriumchlorid 0,9 % oder Glucose 5 % oder Natriumlactat) in Perfusor
- wird zunächst milchig trüb, muss nach etwas Schwenken wieder klar werden
- angebrochene Flasche Argatra Multidose 28 Tage verwendbar
- die Firma hat die 28 Tage-Stabilität sowohl für Raumtemperatur als auch für Kühllagerung getestet (Fachinfo: „Die chemische und physikalische Stabilität wurde nach Anbruch und mehrfachen Nadeleinführungen mit Produktentnahmen über 28 Tage bei 25 °C und bei 2 bis 8 °C nachgewiesen.“)
- Aus hygienischer Sicht wird eine Lagerung bei 2 bis 8 °C bevorzugt.
- Achtung Dosierhinweis:
- Leberinsuffizienz: Dosisreduktion, da HWZ verlängert ist!
- Niereninsuffizienz: keine Dosisreduktion erforderlich.
3.1 Prophylaktische Antikoagulation: Argatroban
- Dosierung = 0,5 μg/kg KG/min über eine kontinuierliche intravenöse Dauerinfusion (hausinterne Regelung aus 01/2008; Fachinformation = 2 μg/kg KG/min)
- Dosisanpassung anhand der aPTT: 2 h nach Infusionsbeginn Kontrolle der aPTT
- Zielbereich = 1,5 – 3faches der normalen aPTT, aber nicht mehr als 100 s
- bei Patienten mit Leberfunktionsstörungen ab Child-Pugh B = Dosisreduktion auf Anfangsdosis 0,25 μg/kg KG/min
- bei schwerer Leberinsuffizienz ist Argatroban kontraindiziert. Fondaparinux wäre bei Leberinsuffizienz möglich, ist jedoch nicht bei HIT II zugelassen. Leidet der Patient sowohl an einer Leber- und Niereninsuffizienz als auch an einer HIT und ist keine alternative antithrombotische Behandlung verfügbar, dann wird mit Danaparoid behandelt. Dosierungsangaben fehlen allerdings.
- Im Falle einer eventuellen Operation kann der Perfusor gestoppt werden. Nach ca. 2 h sollte die Gerinnungsfunktion wiederhergestellt sein (Achtung: verlängerte HWZ bei Leberinsuffizienz).
3.2 Therapeutische Antikoagulation: Argatroban
- Dosierung = 0,5 μg/kg KG/min über eine kontinuierliche intravenöse Dauerinfusion (hausinterne Regelung aus 01/2008; Fachinformation = 2 μg/kg KG/min)
- Dosisanpassung anhand der aPTT: 2 h nach Infusionsbeginn Kontrolle der aPTT
- Zielbereich = 1,5 – 3faches der normalen aPTT, aber nicht mehr als 100 s
- bei Patienten mit Leberfunktionsstörungen ab Child-Pugh B = Dosisreduktion auf Anfangsdosis 0,25 μg/kg KG/min
- bei schwerer Leberinsuffizienz ist Argatroban kontraindiziert
- Im Falle einer eventuellen Operation kann der Perfusor gestoppt werden. Nach ca. 2 h sollte die Gerinnungsfunktion wiederhergestellt sein (Achtung: verlängerte HWZ bei Leberinsuffizienz).
3.3 Fließgeschwindigkeit für Argatroban-Perfusorspritzen
Körpergewicht [kg] | Infusionsgeschwindigkeit [ml/h] für gebrauchsfertige Perfusorspritze, C = 1 mg/ml |
---|---|
50 | 1,5 |
60 | 1,8 |
70 | 2,1 |
80 | 2,4 |
90 | 2,7 |
100 | 3,0 |
110 | 3,3 |
120 | 3,6 |
130 | 3,9 |
140 | 4,2 |
4 Literatur
- Dtsch Ärztebl 2003; 100: A2220-2229 [Heft 34-35]
- Warkentin TE et al. Arch Intern Med 2003; 163 (20): 2518-24
- ACCP-Guidelines 2004
- Warkentin TE et al. Blood 2005; 106: 3791-6
- Intensivmedizin up2date 2005; 1: 329-344
- S. Kleinschmidt S et al. Anaesthesist 2006 55:443–450. Argatroban - Pharmakologische Eigenschaften und anästhesiologische Aspekte
- FG-Beschluss Intensivmedizin und Kardiologie, 03.03.2016
Oliver Maiwald
Arzt in WeiterbildungTelefon