Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie

SOP Perioperative anaphylaktische Reaktion

Der anaphylaktische Schock zählt zu den gefürchtetsten und schwerwiegendsten allergischen Reaktionen des menschlichen Körpers. Was wir im Ernstfall einer Anaphylaxie unternehmen, darum geht es in dieser SOP.

 1. Definition

  • Überschießende Abwehr des Immunsystems auf meist harmlose Stoffe (Allergene)
  • stadienartiger Ablauf bis zum anaphylaktischen Schock, aber auch kürzester Zeit Vollbild des Schocks ohne Vorankündigung  möglich
  • die Diagnostik und genaue Stadieneinteilung ist beim narkotisierten Patienten durch Narkoseeinwirkungen oder OP-Gegebenheiten häufig erschwert.

2 Häufige für die Anästhesistin relevante Auslöser

  • Antibiotika. Hinweis Kreuzreaktion: bei Penicillinallergie mit Exanthembildung auf Penicilline sind Cephalosporine möglich, bei schwersten Reaktionen auf Penicilline (Anaphylaxie) sollten Cephalosporine vermieden werden. Ggf. zeitlich versetzt zur Narkoseeinleitung geben um Differenzierung einer Allergie zu erleichtern; siehe auch Flussdiagramm Penicillinallergie auf der Intranetseite des des ABS-Teams 
  • Muskelrelaxanzien. Hinweis: DD Pseudoallergie durch Histaminfreisetzung, deshalb langsames Injizieren
  • Latex
  • Kontrastmittel
  • Nahrungsmittel. Hinweis: bisher keinen eindeutigen Nachweis eines Zusammenhangs zwischen Soja-, Eilecithin- und Erdnussallergie und Propofolallergie. Die Anwendung von Propofol bei Sojaallergie ist sicher (Propofol wird bei der Herstellung raffiniert, Allergenanzahl liegt damit unterhalb der Nachweisgrenzen; zusätzlich wird Propofol denaturiert)
  • Metamizol.

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3 Klassische Stadieneinteilung

  • Stadium 0:
    lokal begrenzte, kutane Reaktion
  • Stadium 1: leichte Allgemeinreaktion
    generalisierter Flush, Schleimhautreaktion, Nausea, Unruhe, Husten, Luftnot
  • Stadium 2: ausgeprägte Allgemeinreaktion
    Kreislaufdysregulation, beginnender Bronchospasmus, Larynxödem
  • Stadium 3: bedrohliche Allgemeinreaktion
    Schock, Bewusstseinseintrübung, Erbrechen, Defäkation, ausgeprägte Dyspnoe
  • Stadium 4:
    Organversagen, Atem- und Kreislaufstillstand

Bei einer fulminanten anaphylaktischen Reaktion können die ersten Stadien übersprungen werden. Erstsymptome sind dann Kreislaufinstabilität und/oder Bronchospasmus.

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4 Therapie

  • Unterbinden der Zufuhr des mutmaßlichen Allergens
  • Konsultation Fach- oder Oberarzt
  • Stabilisieren der Vitalfunktionen nach dem ABCD-Schema
  • Medikamentöse Behandlung entsprechend den Symptomen
Stadium Medikamente Dosierung
1 Antihistaminika
Dimetinden (Fenistil®)
Ranitidin 
 
0,1 mg/kg KG i.v.
1 mg/kg KG i.v.
2 Kortikosteroide
Methylprednisolon

5 – 10 mg/kgKG i.v.
  Betamimetika
Salbutamol
ggf. Reproterol

2 Hub inhalativ
fraktioniert 90 µg i.v.
  Volumengabe mit Kristalloiden
Jonosteril® 1/1


nach Bedarf i.v.
(2) 3 Katecholamin intravenös
Adrenalin 
1 µg/kg KG i.v.

Hinweis: Da Kortikosteroide selbst auch eine Histaminfreisetzung bewirken können, sind vorher Antihistaminika zu injizieren.

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5 Nachsorge und Diagnostik

  • Bestimmen der Mastzelltryptase im Serum zum Sichern der Diagnose Anaphylaxie innerhalb von 2 h nach Ereignis möglich
  • allergologische Abklärung (PRICK- oder Intrakutantest) 4 – 6 Wochen nach allergischem Ereignis
  • intensivmedizinische Überwachung je nach Zustand des Patienten

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6 Literatur

  • Karin Becke. Allergie und Anaphylaxie im Kindesalter. Aktuelles Wissen für Anästhesisten - Refresher Course Nr. 39, 2013
  • Stellungname der Arbeitsgruppe Allergologie der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie. Soja in Medikamenten: keine Gefahr für Allergiker
  • Dewachter P et al. Anaesthesia and multiple drug allergies. Curr Opin Anesthesiol 2011;24:000-000; DOI:10.1097/ACO.0b013e3283466c13
  • Harper NJ, Dixon T, Dugué P et al. Suspected anaphylactic reactions associated with anesthesia. Anesthesia 2009;64:199-211; DOI:10.1111/j.1365-2044.2008.05733.x

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Stand: 08.01.2019

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