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Nesselsucht – woher kommen die Quaddeln?

Während die Nesselsucht bei Kindern und Jugendlichen in beiden Geschlechtern etwa gleich verteilt ist, sind im Erwachsenenalter häufiger Frauen als Männer betroffen. Warum das so ist, ist bislang wissenschaftlich noch nicht geklärt. Vererbbar ist die Hautkrankheit hingegen nicht, wie zahlreiche Studien belegen. Aber was genau ist eigentlich eine Urtikaria?

Hautausschlag am Arm

Was heißt Nesselsucht?

„Juckende Quaddeln und Rötungen auf der Haut sind typisch für die Nesselsucht. Solche Quaddeln kennen viele beispielsweise von einem Hautkontakt mit Brennnesseln“, so Prof. Dr. Silke Hofmann, Chefärztin des Zentrums für Dermatologie, Allergologie und Dermatochirurgie am Helios Universitätsklinikum Wuppertal. Die Nessel, lateinisch urtica, ist auch namensgebend für die Hautkrankheit.

Etwa 20 bis 25 Prozent der Bevölkerung erkranken mindestens einmal im Leben an der Urtikaria, bei der eine akute und chronische Form unterschieden wird. Letztere liegt vor, wenn Patienten über mehr als sechs Wochen regelmäßig Quaddeln entwickeln. Ansteckend ist die Hautkrankheit aber nicht. 

Helios Universitätsklinikum Wuppertal - Campus Barmen

Direktorin des Zentrums für Dermatologie, Allergologie und Dermatochirurgie

Juckende Quaddeln und Rötungen auf der Haut sind typisch für die Nesselsucht. 

Symptome der Nesselsucht

  • plötzlich auftretende Hautrötungen
  • rundliche oder auch unregelmäßig begrenzte erhabene Hautveränderungen (Quaddeln), die stark jucken
  • manchmal Angioödeme: tiefer liegende Schwellungen des Gesichts oder an Händen und Füßen 

Quaddeln: Was ist das?

Quaddeln sind oberflächliche Erhebungen der Haut unterschiedlicher Größe. Sie sind fast immer von einer Rötung umgeben. Die Farbe der Quaddel variiert zwischen hautfarben und weißlich. Auch in der Größe sind sie variabel und wenige Millimeter bis hin zu zwei Zentimeter groß. Benachbarte Quaddeln können zu flächigen Schwellungen zusammenfließen.

Sie sorgen für einen starken Juckreiz, der sich durch Scheuern und Reiben der betroffenen Hautpartien etwas lindern lässt. Kratzen hilft hingegen wenig.  Meist bilden sich Quaddeln innerhalb von 24 Stunden vollständig zurück, können aber an anderer Stelle neu auftreten

Angioödem: Was ist das?

Bei ausgeprägten Schwellungen der Haut oder Schleimhaut, im Gesicht, den Handflächen oder Fußsohlen spricht man von sogenannten Angioödemen. Diese können mit einem unangenehmen Spannungsgefühl und Juckreiz einhergehen. Meist bilden sie sich innerhalb von 72 Stunden zurück. 

Gerade im Gesicht im Bereich von Augenlidern und Lippen, wo das Unterhautgewebe sehr weich ist, können die Schwellungen große Ausmaße annehmen. Zudem kann es zu Schwierigkeiten beim Atmen kommen, wenn die Schleimhäute von Zunge, Rachen oder Kehlkopf betroffen sind. Hier kann die Gefahr einer Atemnot bestehen.

Formen der Urtikaria

„Etwa jeder vierte Mensch bekommt im Laufe seines Lebens mindestens einmal eine Urtikaria. In der akuten Form dauert sie wenige Tage, jedenfalls weniger als sechs Wochen. Die chronische Urtikaria dagegen kann über Monate, Jahre oder gar Jahrzehnte bestehen und die Lebensqualität der Patienten erheblich einschränken“, sagt die Wuppertaler Chefärztin.

Akute Urtikaria

Die akute Form kommt sehr häufig vor und wird meistens durch Infekte ausgelöst.  Auch allergische Reaktionen auf Medikamente oder Nahrungsmittelgelten als Auslöser einer akuten Urtikaria. Waschmittel oder Körperpflegeprodukte sind hingegen so gut wie nie Auslöser einer Nesselsucht.

Chronische Urtikaria

Wenn die Quaddelbildung länger als sechs Wochen anhält, handelt es sich um die chronische Form der Nesselsucht. Dies betrifft meist Menschen mittleren Alters und dabei doppelt so häufig Frauen wie Männer. Bei dieser Form können die Symptome entweder permanent bestehen oder wiederholt auftreten. Für Betroffene stellen die immer wieder auftretenden Quaddelschübe und der damit einhergehende Juckreiz eine starke Beeinträchtigung der Lebensqualität dar.

Unterschieden wird die chronisch spontane Urtikaria, bei der Quaddeln ohne spezielle Auslöser, also „spontan“ auftreten von der chronisch induzierbaren Urtikaria. Hier fördern physikalische Reize wie Hitze, Kälte, UV-Strahlung, körperliche Anstrengung oder Druck die Entwicklung von Quaddeln.

Auf einen Blick: akute vs. chronische Nesselsucht

Akute Form

  • tritt häufig auf
  • tägliches spontanes Auftreten von flüchtigen Quaddeln
  • dauert wenige Tage bis maximal sechs Wochen

Chronische Form

  • tritt selten auf
  • Quaddeln treten täglich oder wiederkehrend mit einem Abstand von Tagen bis Wochen auf
  • dauert mehr als sechs Wochen, meist drei bis sechs Jahre

Ursachen und Risikofaktoren der Nesselsucht

Der Nesselsucht können verschiedene Ursachen zugrunde liegen. Auslöser ist oft eine überempfindliche Körperabwehr. Entzündungsfördernde Botenstoffe sorgen dann dafür, dass bestimmte Immunzellen, die sogenannten Mastzellen, Histamin ausschütten. Dieses Gewebshormon ruft den typischen Hautausschlag der Nesselsucht hervor. Allergische Reaktionen können ebenfalls einen Ausbruch bewirken, etwa bei Lebensmittel-, Medikamenten- oder Pollenallergien. Auch Wärme, Kälte oder Sonnenlicht können eine Nesselsucht hervorrufen.

Häufigste Ursachen der akuten Nesselsucht sind:

  • Infekte mit Viren, Bakterien, Parasiten oder Pilzen
  • allergische Reaktionen, zum Beispiel auf Pollen
  • physikalische Reize wie Wärme, Kälte, Reibung oder UV-Strahlen
  • Unverträglichkeiten von Arzneimitteln, Nahrungsmitteln, Lebensmittelzusatzstoffen, Alkohol, scharfen Gewürzen

Häufigste Ursachen der chronischen Nesselsucht:

  • Autoimmunreaktion: Wenn die Abwehrzellen gegen körpereigene Zellen (meist gegen Schilddrüsengewebe) vorgehen, kann es zu einer chronisch spontanen Nesselsucht kommen. Diese wird als „autoreaktive Nesselsucht“ bezeichnet.
  • chronische Infekte: Relativ häufig ist eine Magenschleimhautentzündung durch Helicobacter pylori assoziiert mit einer chronischen Urtikaria, seltener Infekte der Atemwege.
  • Überempfindlichkeit (Pseudoallergie): Selten wird die Urtikaria verursacht durch eine Überempfindlichkeit auf bestimmte Zusatzstoffe in Nahrungsmitteln oder auf natürliche Aromastoffe. 

Helios Universitätsklinikum Wuppertal - Campus Barmen

Direktorin des Zentrums für Dermatologie, Allergologie und Dermatochirurgie

Etwa jeder vierte Mensch bekommt im Laufe seines Lebens mindestens einmal eine Urtikaria.

Diagnose der Nesselsucht

„Allein das Erscheinungsbild der rötlichen, juckenden, schnell wandernden Quaddeln legt die Diagnose Nesselsucht nahe. Eine Gewebeprobe ist nur nötig, wenn einzelne Quaddeln an der gleichen Stelle länger als 24 Stunden bestehen bleiben“, sagt Prof. Dr. Hofmann.

Ein ausführliches Gespräch mit den Patient:innen gibt oft erste Hinweise auf die Erkrankung und mögliche Ursachen. Hier erkundigt sich der Arzt in der Regel nach:

  • den Beschwerden,
  • möglichen Grunderkrankungen,
  • auslösende Faktoren,
  • Allergien oder Unverträglichkeiten,
  • akute oder chronische Infekte sowie
  • der Einnahme von Schmerzmitteln und Entzündungshemmern.  

Im Anschluss folgt die Untersuchung der Haut mit dem bloßen Auge. Bei der akuten Urtikaria sind in der Regel keine weiteren Untersuchungen nötig. Besteht der Verdacht auf eine allergische Reaktion, kann ein Allergietest durchgeführt werden, um den Auslöser zu finden. 

Nesselsucht behandeln

Symptomkontrolle gilt als eines der Ziele in der Therapie von Nesselsucht. Ob und wie das gelingt, hängt von der Art der Urtikaria ab“, so Prof. Dr. Silke Hofmann. 

Auslöser meiden

In vielen Fällen reicht es aus, wenn die auslösenden Substanzen gemieden werden. Das können Nahrungsmittel, Medikamente, Sonnenlicht, Kosmetika oder andere Substanzen sein, die hautreizende Inhaltsstoffe enthalten. Auch Stress kann eine Nesselsucht verstärken.

Medikamente

  • Antihistaminika können bei der akuten und der chronischen Form eine gute Wirkung zeigen und die Beschwerden lindern. Manchmal müssen sie in erhöhter Dosis (bis zu 4 x täglich) eingenommen werden, um die Symptome ausreichend zu lindern. Antihistaminika sind Medikamente, die bei Allergien Symptome lindern, indem sie die Wirkung des Histamins hemmen. Dazu besetzen sie Bindungsstellen des Histaminrezeptors, wodurch das vom Körper ausgeschüttete Histamin die Rezeptoren nicht mehr besetzen und keine Allergiesymptome aktivieren kann.
  • Kortison kommt zum Einsatz, wenn die Gabe von Antihistaminika nicht ausreicht. In besonders akuten Fällen ist auch eine intravenöse Gabe möglich. Kortison sollte bei Urtikaria immer nur kurzzeitig verordnet werden.
  • Anti-IgE-Antikörper können zum Einsatz kommen, wenn in der Standardtherapie mit Antihistaminika kein zufriedenstellender Rückgang der Quaddeln erreicht wird. Die Therapie erfolgt in Form von subkutanen Spritzen, die der Patient sich ggf. selbst verabreichen kann. Das aktuell für die chronische Urtikaria zugelassene Medikament wird einmal monatlich in den Bauch gespritzt und weist eine sehr gute Wirksamkeit auf. 
  • Immunsuppressiva werden eingesetzt, wenn auch anti-IgE-Antikörper nicht wirksam waren. Sie unterdrücken die Immunabwehr

Sowohl der anti-IgE-Antikörper wie auch Immunsuppressiva werden kombiniert mit  Antihistaminika.

Was können Betroffene selbst tun?

Um die Wirkung von Medikamenten zu unterstützen, können Betroffene auch selbst aktiv werden. „Weite, lockere Kleidung oder kaltes Duschen kann dabei helfen, den Juckreiz bei bereits bestehendem Ausschlag zu vermindern“, so die Chefärztin. Auch ein Nesselsucht-Tagebuch kann hilfreich sein, um mögliche Auslöser der Quaddeln leichter zu identifizieren und die Wirksamkeit der durchgeführten Therapie zu dokumentieren. „Wer weiß, auf welche Lebensmittel er mit Quaddel-Schüben reagiert, sollte diese unbedingt meiden“, rät die Expertin.

Krankheitsverlauf und Prognose bei Urtikaria

Die akute Nesselsucht trifft circa 20 Prozent der Gesamtbevölkerung in Deutschland einmal im Leben. Das Gute daran: Sie verschwindet in der Regel innerhalb kurzer Zeit von selbst. Bei einem geringen Teil geht die akute in eine chronische Form über. Hier lassen sich manchmal Auslöser finden, die gezielt behandelbar sind, etwa durch Medikamente oder einfach dem Weglassen der auslösenden Faktoren. Gut zu wissen: Auch eine chronische Nesselsucht heilt irgendwann von allein ab. Das kann allerdings Jahre oder Jahrzehnte dauern. 

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