Mein Chirurgie Tertial in Barcelona

Mein Chirurgie Tertial in Barcelona

Clara Grulich, Medizinstudentin und eine von unseren Stipendiat:innen berichtet von ihrem viermonatigem Chirurgie Tertial in Barcelona.

Das praktische Jahr bietet Medizin-Studierenden die einmalige Chance, in einem festen Rahmen längere Zeit im Ausland zu arbeiten, dabei die Sprache zu trainieren und ein anderes Gesundheitssystem kennenzulernen, ohne sich bereits den ärztlichen Verantwortungen stellen zu müssen.

Für mich stand also früh fest, mindestens ein Tertial im spanischsprachigen Ausland zu verbringen und ich kann diese Erfahrung absolut jedem ans Herz legen.

Vorbereitung

Nach meinem zweiten Staatsexamen entschloss ich mich zunächst, meinen PJ-Start um ein Semester zu verschieben, um genügend Zeit für die Bewerbung und das Spanischtraining zu haben.

Sprache

Ein paar kurze Worte zur Sprache. Gestartet bin ich mit einem A2 Niveau. Trainiert habe ich mit Sprachkursen (1x/Woche), einem Tandem-Partner (1-2 h täglich) und Hörbüchern. Insbesondere mit meinem Tandem-Partner, ein junger spanischer Arzt, der gerade sein Studium abgeschlossen hatte und gerne eine Weiterbildung in der Chirurgie in Deutschland starten wollte, habe ich viel gelernt und kann diese Art von Sprachtraining jedem empfehlen. Zu meinem PJ-Start hatte ich im Sprechen dann ein B2 Niveau und in den anderen Bereichen ein B1. Mit diesem Sprachlevel hatte ich zu Beginn des Praktikums meine Probleme, konnte mich im Verlauf aber gut verbessern.

Bewerbung

Die Bewerbung war etwas mühsam. Da die Medizinische Hochschule Brandenburg, an der ich studiere, noch relativ jung ist, gab es bisher keine Kontakte ins spanischsprachige Ausland. So musste ich mich privat bewerben.

Ich schrieb zunächst etwa 15 Kliniken in Argentinien an und später weitere 20 in ganz Spanien. Da es in Argentinien kein PJ gibt und es sehr unüblich ist, dass man ohne Approbation Patientenkontakt hat, habe ich entweder gar keine Antwort oder Absagen bekommen. Hinzu kamen die verschärften Sicherheitsvorkehrungen aufgrund von Corona, weshalb ich zunächst auch in Spanien keinen Erfolg hatte. Während meiner ersten beiden Tertiale im Helios Klinikum Bad Saarow erfuhr ich von einer Kooperation mit der spanischen Gruppe Quironsalud. Die beiden privaten Gruppen Helios und Quironsalud gehören zur Freseniusgruppe und haben auf Basis dieser Verbindung einen Ärzteaustausch zu Corona-Spitzenzeiten vereinbart.

Mithilfe der Klinikleitung des Helios Klinikums Bad Saarow erhielt ich den Kontakt zu Dr. Centeno, einer der leitenden Chirurgen des privaten Klinikums Centro Medico Teknon in Barcelona, und mein PJ konnte endlich losgehen. An dieser Stelle möchte ich allen danken, die mich auf meinem Weg hierher unterstützt und mir die folgenden Erfahrungen ermöglicht haben.

Wohnungssuche

Klassisches Straßenbild von Barcelona (Fotos:Privat)

Eine weitere Hürde. Der Wohnungsmarkt in Barcelona ist ziemlich überschwemmt mit Studierenden oder Praktikant:innen, die nur für kurze Zeit ein Zimmer suchen. Dementsprechend rar und teuer sind solche Angebote. Schließlich habe ich über Habitage Jove (eine auf Studierende spezialisierte Agentur) ein Zimmer für 500 € in einer Siebener-WG gefunden. In den folgenden vier Monaten konnte ich so verschiedenste Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern und in ganz unterschiedlichen Lebensphasen kennenlernen. Die eine oder andere gute Freundschaft ist hier entstanden. Für die begrenzte Zeit in einer fremden Stadt genau das Richtige.

PJ-Start und Arbeit im Krankenhaus

Nachdem ich bereits eine Woche vorher angereist war und mich schon etwas einleben konnte, ging es am 27. Juni 2022 um 10:00 Uhr mit meinem eigentlichen Chirurgie-Tertial los.

Das Centro Medico Teknon ist ein größeres privates Klinikum am nördlichen Rand der Stadt. Der Gebäudekomplex macht eher den Eindruck eines Palastes als eines Krankenhauses und auch innen wirkt es eher wie ein Hotel.

Ich wurde an meinem ersten Tag freundlich am Empfang begrüßt und zunächst in die allgemeinchirurgische Sprechstunde geschickt. Dort empfing mich Dr. Centeno und stellte mich dem Team vor. Unter anderem auch meinen zukünftigen Ansprechpartnern, Dr. Diez Caballero und Dr. Jose Seaz. Alle drei waren während des ganzen Tertials stets für mich erreichbar.

Meine Arbeitszeiten waren täglich von 9:00-14:00/15:00 Uhr. Die meiste Zeit war ich dabei im OP tätig. Manchmal sollte ich nachmittags bei großen OPs assistieren, die dann auch mal bis in die Nacht dauerten. Auf Wunsch konnte ich auch die Ärzte in die verschiedenen Sprechstunden begleiten, in die Notaufnahme gehen oder bei der postoperativen Visite auf Station teilnehmen.

Dr. José Saez und ich beim Operieren (Foto: Privat)

Praktika, die länger als 2-3 Wochen dauern würden, seien in diesem Klinikum eher ungewöhnlich und jemand, der fast 4 Monate bleibt, wäre noch nie da gewesen, erklärte mir Dr. Centeno. Ich hatte daher den großen Vorteil, dass sich das Team trotz der am Anfang ausgeprägten Sprachbarriere sehr viel Zeit und Geduld für meine Einarbeitung genommen hat. Mir wurden früh verschiede Assistenzaufgaben beigebracht (Kamerahaltung, OP-Nähte, OP-Abläufe) und im Verlauf konnte ich mich fast immer einwaschen und assistieren. Dabei habe ich viel über chirurgische Abläufe und die Grenzen meiner Multitaskingfähigkeiten gelernt. Steril am Tisch zu stehen und mit den Händen zwei wichtigen Aufgaben nachzugehen, schien bei mir erfolgreich mein Fremdsprachenzentrum lahmzulegen. Auch einfachste Anweisungen konnte ich zu Beginn gar nicht verstehen, geschweige denn den im OP üblichen Smalltalk betreiben. Zum Glück besserte sich dies nach den ersten Wochen.

Zum Klinikum Centro Medico Teknon

Ein paar Worte zu den Besonderheiten des Klinikums und dem chirurgischen Team. Das Centro Medico Teknon ist eins von sechs verschiedenen privaten Kliniken in Barcelona, die sich einen Pool aus ca. 20 verschiedenen Allgemeinchirurgen teilen. Die einzelnen Chirurgen haben jeweils ihr eigenes spezialisiertes OP-Gebiet (Proktologie, Schilddrüsenchirurgie, Ösophaguschirurgie etc.) und rotieren je nach Patientenbedarf durch die verschiedenen Häuser. Auf diese Weise habe ich in diesen vier Monaten ein großgefächertes und gleichzeitig hoch spezialisiertes OP-Spektrum kennengelernt, wie es in Deutschland vermutlich nur an einem Uniklinikum möglich ist. Auch die eine oder andere OP mit dem Da-Vinci waren darunter.

Zum spanischen Gesundheitssystem

Sowohl die operative als auch die stationäre Pflege sind in Spanien eigene Studienfächer und mit weitaus mehr Kompetenzen ausgestattet als in Deutschland. Auf diese Weise zentriert sich die Arbeit der Chirurg:innen sehr auf den OP.

Für die Chirurg:innen gibt es in der Regel lediglich drei Patient:innenkontakte. Einmal zur Sprechstunde, einmal im OP und einmal am ersten postoperativen Tag. Sämtliche Diagnostik wird von der Radiologie durchgeführt. Das Management und die postoperative Wundversorgung findet auf pflegerischer Seite statt. Es gibt keine stationären Ärzte:innen. Lediglich bei größeren Problemen wird der/ die operierende Arzt/ Ärztin verständigt. Zumindest, so mein Eindruck, in diesem Klinikum.

Eines der Dinge, die mich am meisten beeindruckt haben, ist die allgemeine Situation auf dem spanischen Arbeitsmarkt im Gesundheitssystem. Während ich in Deutschland mein Studium zu Zeiten eines Fachkräftemangels abschließen werde, ist es in Spanien äußerst schwierig, Fuß in der Arbeitswelt zu fassen. Diejenigen die es geschafft haben, im Staatexamen eine ausreichen gute Note zu erlangen, um einen Platz in ihrer jeweiligen Wunschfachrichtung zu bekommen, sind einem hohen Konkurrenzdruck ausgesetzt. In Kombination mit langen Arbeitszeiten, schlechtem Kündigungsschutz und der geringen Bezahlung ausgesetzt.

Die Gespräche mit jungen Mediziner:innen brachten mich dazu, auch meine eigene Situation in Deutschland mit anderen Augen zu betrachten.

Barcelona

Sicht auf die schöne Stadt Barcelona (Foto: Privat)

Eine wunderschöne Stadt, in der die Menschen mehr auf den Straßen als in ihren Häusern zu leben scheinen. Die klassischen Sehenswürdigkeiten wie der Gaudi-Park oder die Sagrada Familia sind zwar teuer, aber meiner Meinung nach ein Muss, da der Einfluss von Gaudi die Stadt wie kein Zweiter geprägt hat. Weitere empfehlenswerte Attraktionen waren die Bunkeranlage über der Stadt, die nahezu täglich stattfindende berühmten Straßenfeste und Parties der Stadt und das anschließende Stant-Up paddeln morgens um Fünf zum Sonnenaufgang. Weniger touristisch ist das Museum Sant Pau, ein ehemaliges Klinikum im Jugendstil. Zum Essen ist El Nacional, eine Ansammlung an verschiedenen Tapasbars oder Mirablau, eine Bar mit einer wunderschönen Aussicht empfehlenswert.

 

Zum Schluss zwei Überlebenstipps:

  1. Der Strand vor Barcelona ist sehr überfüllt und hat eine sehr schlechte Wasserqualität. Schöner ist zum Beispiel der Strand von Castell de Fells.
  2. Niemals sagen, man wäre Fan von Real Madrid…

 

Abschließende Worte

Mit zwei Freundinnen und in einer Bar im El Nacional (Foto: Privat)

In diesen vier Monaten meiner PJ-Zeit konnte ich mein Spanisch enorm verbessern. Ich habe eine Menge zu den chirurgischen Abläufen gelernt. Ich durfte fantastische und inspirierende Menschen kennenlernen.

Und zu guter Letzt habe ich Einblicke in ein anderes Gesundheitssystem bekommen und wie die Menschen darin mit den verschiedenen Vor- und Nachteilen umgehen. Vor allem Letzteres gab mir auch für meinen eigenen Werdegang noch mal eine neue Perspektive, von der ich in der Zeit meines Berufsstarts sicher noch eine Menge profitieren werde.