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Infektionen

Die Behandlung von Infektionen im Knochen- und Gelenkbereich gehört zu den wohl schwierigsten Problemen, denen sich ein Orthopäde oder Unfallchirurg stellen muss. Neben hohem operativen und diagnostischem Können bedarf es menschlicher Qualitäten, den Patienten in dieser schwierigen Situation zu begleiten und zu beraten.

Knochen- und Gelenkinfektionen sind emotional negativ belegt.  Für den Operateur und das Ärzteteam schwingt das Gefühl des Versagens bei der Weiterbehandlung mit, der Patient sucht nach Ursache und Schuld. So nachvollziehbar diese Gefühle sind, allein, sie stellen keine gute Grundlage für die weitere Behandlung dar.

 

Bakterien leben überall in unserer Umwelt. Wir leben mit ihnen. Sie besiedeln unseren Körper, die Haut, den Nasen- Rachen- Raum und den Darm. Dort schaden sie uns nicht. Erst dann, wenn sie ihren Lebensraum verlassen und unseren Körper an dafür nicht vorgesehenen Stellen besiedeln, werden wir krank. Zudem haben die Bakterien viele Millionen Jahre mehr Zeit gehabt als wir, Überlebensstrategien zu entwickeln.

 

Manchmal gelangen die Bakterien über die Blutbahn in den Knochen oder ein Gelenk, ohne dass eine Operation stattgefunden hat. Diese hämatogene Ausbildung finden wir im Kindesalter und bei geschwächten Menschen häufig. Interessanter sind Infektionen nach medizinischen Maßnahmen. Auch hier kommt als Ausgangspunkt der Patient selbst in Frage. Die Haut des Patienten kann nur desinfiziert, das heißt, keimarm gemacht werden, nicht aber steril, also keimfrei. Aus dem Nasen- Rachen- Raum und dem Magen- Darm- Trakt gelangen ständig Bakterien in unseren Körper, die Abwehr kann diese aber in der Regel schnell unschädlich machen. Trotz optimaler Vorsorge kann also eine Infektion auftreten. Aber auch von außen, durch das Personal, können Bakterien auf den Patienten übertragen werden und beim Verbandswechsel in die Wunde gelangen, ebenso während der Operation.

 

Wir wissen seit über 60 Jahren, dass es nur 1/1000 der Bakterien bedarf, eine Infektion hervorzurufen, wenn sich ein Fremdkörper, eine Metallplatte, eine Endoprothese oder ähnliches im Körper befindet als bei Operationen, bei denen nichts implantiert wurde.  Deshalb spielen Maßnahmen der Prophylaxe einer Infektion in unserem Fachgebiet eine so große Rolle.

 

Eine Infektion in einem vorbestehenden Hohlraum heißt Empyem, im Kniegelenk zum Beispiel Kniegelenksempyem. Der Patient fühlt sich in der Regel schwer krank und hat Fieber, das Gelenk ist heiß und geschwollen. Schwierig ist die Abgrenzung von Gicht oder einem Rheumaschub. Nur wenige Bakterien machen da eine Ausnahme, gleiches gilt für Menschen mit Bulimie oder nach Injektion von Glukokortikoiden.

 

Einer der Leitsätze ärztlichen Handelns lautet: „Vor die Therapie haben die Götter die Diagnose gestellt.“ Wir beginnen, wenn irgend möglich, erst dann mit einer Antibiotikatherapie, wenn ausreichend Proben entnommen wurden, die im bakteriologischen Labor angezüchtet und untersucht werden können. Leider lassen sich nur in der Hälfte der Fälle Bakterien im Labor vermehren, um sie dann untersuchen zu können. Deshalb werden mehrere mikrobiologische Proben entnommen. Erst dann beginnt die antibiotische Therapie. Optimal ist es, wenn die Antibiotikagabe nach der Arthroskopie einsetzt. Sie ist gleichzeitig Diagnostik- und Therapieverfahren. Am Ende legt man Schläuche, Drainagen genannt, ein, um den Abfluss der Flüssigkeit zu sichern. Ob eine Arthroskopie ausreichend ist, lässt sich zu Beginn der Behandlung kaum sagen. Hier ist der Verlauf entscheidend und die Erfahrung des Operateurs.

 

Befindet sich in der Tiefe ein Implantat, z.B. ein Nagel, eine Platte oder eine Endoprothese, stellt dieses Implantat ein Zusatzproblem dar. Auf diesem Implantat können sich Bakterien einnisten. Manche haben die Fähigkeit entwickelt, sich mit einer Schleimschicht zu überziehen. Diese schleimschicht können Antibiotika kaum oder gar nicht durchdringen. Außerdem fahren die Bakterien ihren Stoffwechsel herunter wie der Bär im Winterschlaf. Antibiotika können ihnen kaum noch etwas anhaben. Es gibt schon Antibiotika, die den Schleimfilm in der Anfangsphase der Ausbildung „knacken“ können. Am meisten bekannt ist das Rifampicin, eigentlich ein Tuberkulosemittel. Es fällt dem Patienten dadurch auf, dass es den Urin orangerot färbt.

 

Anfänglich wechselt man bei einer Endoprothese die beweglichen Teile wie das Inlay oder den Hüftkopf. Ist die Besiedelung der Implantats so weit fortgeschritten, dass der Schleimfilm vollständig ausgeprägt ist, bleibt nur noch die vollständige Entfernung des Osteosynthesematerials oder der Endoprothese übrig. Antibiotika allein können dann nicht mehr zur Heilung führen.

 

Im Verlauf der Erkrankung führt die Infektion dazu, dass der Knochen befallen wird und sich dort ungeschützte oder besser nicht mehr behandelbare Zonen entwickeln. Wir nennen diesen toten Knochen Sequester, unsere Vorfahren bezeichneten die Umgebungszone als Totenlade. Hier hilft nur noch die Knochenresektion, oder wir müssen akzeptieren, dass ein Rezidiv eintritt.

 

Unter manchen Bedingungen lässt sich eine vollständige Heilung nicht mehr herbeiführen. Dann müssen alle beteiligten akzeptieren, dass eine Fistel bleibt, das Kunstgelenk nicht mehr eingebaut werden kann oder man gar an eine Amputation denken muss.