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Delirium – Der verwirrte Kopf nach der Narkose

Der Begriff Delirium, häufig auch Delir, beschreibt einen stark verwirrten Zustand nach einer Narkose. Die Patient:innen verlieren dabei das Zeitgefühl und wissen oft nicht, wo sie sich befinden. Was hilft und wie hier vorbeugt werden kann, erklären wir hier.

im OP

Wie entsteht ein Delirium?

Ein Zustand der Verwirrtheit, ein sogenanntes Delirium, tritt immer wieder nach einer Operation mit Narkose auf. Betroffen sind meist ältere Menschen über 65 Jahre. Neben einem operativen Eingriff können auch verschiedene Medikamente und deren Wechselwirkungen ein Delirium auslösen. Wurde die neurologische Beeinträchtigung früher auch „Durchgangssyndrom“ genannt, sprechen Expert:innen heute von Delirium oder Delir.

Weitere Auslöser können Schlafentzug oder akute Stoffwechselstörungen sein – die Abgrenzung ist auch für erfahrene Mediziner:innen oft schwierig. Weitere Risikofaktoren für die vorübergehende Verwirrung sind, neben dem Alter, vor allem Herzkreislaufstörungen, Alkoholabhängigkeit oder Stoffwechselerkrankungen wie etwa Diabetes. Müssen sich Betroffene dann noch einer Narkose unterziehen, potenziert sich die Gefahr, an einem Delirium zu erkranken.

Für Angehörige erscheint die vertraute Person bei einem Delirium als ein anderer Mensch. Etwa 25 Prozent der Patient:innen auf einer Normalstation und rund 80 Prozent der Patient:innen auf einer Intensivstation erleiden ein Delir, das sich oft innerhalb weniger Stunden entwickelt. Erst wirkt die oder der Betroffene ein bisschen verwirrt, nach kurzer Zeit zeigen sich mehrere der unten beschriebenen Anzeichen.

Klar zu unterscheiden ist ein Delir von einer beginnenden Demenz. Wird ein Delir rechtzeitig und adäquat behandelt, klingen die Symptome in der Regel schnell wieder ab.

Wie kündigt sich ein Delir an?

Es gibt viele Anzeichen, die ein Delir ankündigen. „Die offensichtlichsten Anzeichen sind Desorientiertheit und ein verkehrter Tag-Nacht-Rhythmus“, sagt Yvonne Schmilinsky, Pflegekraft, Demenzexpertin/Delirmanagement, im Helios Klinikum Krefeld. 

Eine wichtige Information zur Einschätzung der Betroffenen bekommt man oft nur über Bezugspersonen, da sie die Patientin oder den Patienten schon vor dem Krankenhausaufenthalt kennen. Patient:innen die zum Beispiel direkt aus dem OP kommen, kennt das Personal auf den Stationen nur im Zustand nach der Narkose. Das heißt, wir wissen nicht, was ist „normal“ und bekannt und was nicht.

Was sind Anzeichen eines Deliriums?

  • übereifrig, unruhig, aggressiv
  • apathisch, schläfrig
  • ablehnend oder sehr anhänglich
  • schlaflos
  • räumlich und zeitlich desorientiert
  • wahrnehmungsgestört: Patient:innen sehen Dinge, die nicht da sind (häufig furchteinflößende Tiere, Schatten oder Ungeziefer); Geräusche werden eine völlig andere Bedeutung zugeschrieben
  • Tag-Nacht-Rhythmus ist verschoben

Welche Formen des Delirs gibt es?

Unterschieden wird zwischen einem hypoaktiven Delir, einem hyperaktiven Delir sowie Mischformen, bei denen sich hypoaktives und hyperaktives Delir abwechseln. „Die Mischform tritt bei circa 65 Prozent der Patientinnen und Patientenmit Delir auf,“ sagt Yvonne Schmilinsky. 

Das hypoaktive Delir macht etwa 30 Prozent der Delir-Diagnosen aus und zeichnet sich aus durch Apathiewenig AntriebSchläfrigkeit. „Es kann schnell übersehen werden, da die Patienten nicht ‚offensichtlich auffällig‘ laut sind, wie bei einem hyperaktiven Delir“, erklärt die Expertin.

„Die hyperaktive Form des Delirs macht ungefähr fünf Prozent der Delir-Diagnosen aus“, sagt Schmilinsky. Patientinnen und Patienten mit einem hyperaktiven Delir zeigen auffälliges Verhalten, sie sind unruhig, im schlimmsten Fall aggressiv und wenig kooperativ.

Was sind Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Delir und Demenz?

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Helios Klinikum Krefeld

Stationsleiterin

Wenn Angehörige erzählen, das die Mutter vorgestern noch ihre nächste Reise online gebucht hat und jetzt ist sie verwirrt, dann wird es eher ein Delir sein. Und wenn Angehörige erzählen, das zum Beispiel zu Hause schon die Medikamenten Einnahme überwacht werden musste, dann wird es eher eine Demenz sein“, erklärt Schmilinsky. Angehörige seien daher ein wichtiger Indikator, weil sie wissen, was bei dem Patienten bekannt und „normal“ ist. 

Kann ein Delir eine Demenz auslösen?

„Das ist schwer zu sagen, da es natürlich auch viele Menschen gibt, bei denen noch keine Demenz diagnostiziert wurde“, weiß die Delirexpertin. Eine vorher noch nicht erkannte Demenz kann sich durch ein Delir verschlechtern. Und ein Krankenhausaufenthalt kann eine Demenz verschlechtern oder/und ein Delir auslösen. Man geht davon aus, das circa 25 Prozent ein Jahr nach Krankenhausaufenthalt immer noch kognitive Einschränkungen haben nach einem Delir.

Je älter ein Mensch ist, umso höher ist das Risiko, eine Demenz oder ein Delir zu bekommen. Demenz ist einer der Risikofaktoren ein Delir zu entwickeln. Daher müssen ältere Patient:innen vom Pflegepersonal besonders geschützt werden.

Je mehr Risikofaktoren ein Mensch hat, umso weniger Auslösefaktoren braucht es, um ein Delir zu entwickeln. „Nüchternheit ist beispielsweise ein Auslösefaktor, den wir ganz einfach beheben können. An Hilfsmittel wie Brille und Hörgeräte zu denken hört sich so banal an, ist aber essentiell in der Delir Prophylaxe und auch in der Therapie“, erklärt Yvonne Schmilinsky und fügt hinzu: „Delir-Prophylaxe wie das Tragen der eigenen Kleidung, Mobilisation und ausreichend Flüssigkeitszufuhr können wir einfach umsetzen. Wir brauchen kein spezielles medizinisches Equipment für die grundlegenden Maßnahmen, aber wir brauchen medizinische Kompetenz um ein Delir zu erkennen.“

Weitere Risikofaktoren:

  • hohes Alter
  • schwere Erkrankung
  • Demenz
  • Gebrechlichkeit
  • gleichzeitige Einnahme mehrerer Arzneimittel (Polypharmazie) 
  • neue oder abgesetzte Medikamente
  • Alkoholmissbrauch
  • Niereninsuffizienz
  • Chirurgische Eingriffe
  • Infektionen
  • Flüssigkeitsmangel
  • Sehstörungen
  • Schwerhörigkeit
  • akuter Schmerz

 

Was passiert, wenn ein Delir nicht behandelt wird? 

Wenn keine Maßnahmen gegen ein Delir getroffen werden, dann verschlechtert sich die Situation für die Betroffenen. Schmilinsky berichtet: „Untersuchungen gehen davon aus, dass die Ein-Jahres-Überlebensrate je Delirtag um zehn Prozent sinkt.“

Wird ein Delir nicht umgehend behandelt, verschlechtert sich der Allgemeinzustand und die Gefahr von Komplikationen, zum Beispiel Sturz, steigt. Gegebenenfalls müssen Betroffene sogar in einer Langzeit-Pflegeeinrichtung untergebracht werden, da sie sich zu Hause nicht mehr selbst versorgen können.  

Wie kann ich einem Delir vorbeugen?

Durch aktive Vorsorge sowie einer konsequenten und frühzeitigen Behandlung erster Symptome kann ein Delirium vermieden beziehungsweise abgeschwächt werden. Daher ist die Identifikation möglicher Risikopatient:innen von großer Bedeutung. Gelingen kann das durch eine sorgfältige Erhebung der Krankengeschichte im Vorfeld der stationären Aufnahme. Auch detailliert geplante Operationen mit möglichst geringer Narkosebelastung beugen der Gefahr wirksam vor. Denn moderne Betäubungsverfahren, wie die Regional- oder Rückenmarkanästhesie in Kombination mit schonenden Narkosemitteln, sind weit weniger belastend für Herz, Lunge und Gehirn.

Was kann ich tun?

So können Sie uns unterstützen, einem Delirium vorzubeugen:

 

  • Bringen Sie Ihre benötigten Hilfsmittel (beispielsweise Brille, Hörgerät, Rollator) mit ins Krankenhaus
  • Halten Sie den Tag-Nacht-Rhythmus ein (wenn möglich, nicht den ganzen Tag im Bett verbringen)
  • Starten Sie mit der Frühmobilisation
  • Vermeiden Sie Schmerzen und melden Sie sich bei Schmerzen
  • Erhalten Sie Ihre Selbstständigkeit
  • Bringen Sie persönliche Gegenstände (Fotos, Uhr, Kalender), die Ihnen bei der Orientierung helfen, mit.
  • Lassen Sie sich nach Möglichkeit regelmäßig von Angehörigen und nahestehenden Bekannten besuchen

 

Wie können Angehörige unterstützen?

Angehörige können bei der Re-Orientierung helfen, sie können viel eher als das Pflegepersonal an Erinnerungen anknüpfen und diese aktiv halten. In einem gewissen Rahmen können gegebenenfalls auch Rituale von zu Hause in der Klinik umgesetzt werden. Beispielsweise das Ritual mit der Ehefrau zu Hause Kaffee trinken und über das Welt Geschehen sprechen. „Alles was der Re-Orientierung dient, ist auch gleichzeitig eine Delir-Prophylaxe“, sagt Schmilinsky. Um aktiv mit arbeiten zu können, brauchen die Angehörigen Aufklärung und Anleitung durch das Pflegepersonal.

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