So vermeiden Sie Rückenschmerzen am Arbeitsplatz© Foto: Canva
Tipps gegen Schmerzen im Rücken

So vermeiden Sie Rückenschmerzen am Arbeitsplatz

Berlin

Über 80 Prozent der Deutschen leiden mindestens einmal im Leben an Rückenschmerzen – ein Großteil ist immer wieder davon betroffen. Mit einem Anteil von 24,5 Prozent an allen Arbeitsunfähigkeitstagen waren Muskel-Skelett-Erkrankungen laut den Betriebskrankenkassen im Jahr 2019 die häufigste Ursache für krankheitsbedingte Arbeitsausfälle.

Welche Möglichkeiten es gibt, den eigenen Arbeitsplatz rückengerecht zu gestalten und warum es sinnvoll ist, bereits vor dem Auftreten von Beschwerden mit dem Betriebsarzt zu sprechen, erklärt Dr. Juliane Illert, Fachärztin für Arbeitsmedizin bei Helios. Zudem gibt sie Tipps für einfache Übungen, um die Rückengesundheit zu erhalten.

Welche Ursachen stecken hinter arbeitsbedingten Rückenschmerzen?

Straßenbauarbeiter
Schwere körperliche Belastungen während der Arbeit können Rückenschmerzen fördern | Foto: Canva

„Grundsätzlich gibt es zwei Hauptursachen für arbeitsbedingte Rückenschmerzen: Die mangelnde Bewegung und die Fehlbelastung“, sagt Dr. Juliane Illert.

Von Bewegungsmangel sind vor allem Menschen betroffen, die in sitzender Tätigkeit arbeiten. Ob im Büro, als Berufskraftfahrer:in oder an der Supermarktkasse: Wer über viele Stunden am Tag eine statische Haltung einnimmt, tut dem Rücken keinen Gefallen. Umgekehrt kann aber auch eine dauerhaft falsche Bewegung dem Rücken schaden: „Schwere körperliche Belastungen, so wie es sie beispielsweise im Montagebereich beim Tragen schwerer Lasten oder durch die gekrümmte Haltung beim Straßenbau gibt, können ebenso Rückenschmerzen auslösen, wie der Bewegungsmangel“, weiß die Arbeitsmedizinerin. Einer besonderen Beanspruchung sind zudem Menschen ausgesetzt, die regelmäßig Baufahrzeuge oder auch Traktoren fahren. „Die chronische Vibrationsbelastung kann in diesen Berufsgruppen zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Lendenwirbelsäule führen, die zudem als Berufskrankheit anerkannt werden kann.“

Grundsätzlich gibt es zwei Hauptursachen für arbeitsbedingte Rückenschmerzen: Die mangelnde Bewegung und die Fehlbelastung.

Dr. Juliane Illert, Fachärztin für Arbeitsmedizin bei Helios

Richtige Haltung auch am Arbeitsplatz

Viele Betroffene fragen sich: Doch was kann ich tun, um berufsbedingten Rückenschmerzen entgegenzuwirken? Und wie kann mir der Betriebsarzt helfen?

„Das A und O ist, dass die Ursache der Beschwerden im Rücken gefunden wird. Nur, wenn ich weiß, was die Schmerzen auslöst, kann ich sie auch beheben“, sagt Dr. Illert.

In sitzenden Berufen geht es dabei im ersten Schritt darum, den Arbeitsplatz zu prüfen und zu optimieren. Sind Bürostuhl und Schreibtisch ergonomisch eingerichtet? Stimmen Sitz- und Arbeitshöhe? Ist die Lichtquelle richtig oder blendet sie bei der Bildschirmarbeit?

In den Berufen mit viel körperlicher Arbeit geht es hingegen eher um die Frage, ob es Möglichkeiten gibt, Fehlbelastungen zu reduzieren. „Wo das schwierig ist, kann es sinnvoll sein, den Facharzt mit einzubeziehen und bestimmte Therapien zu beginnen. Der Betriebsarzt hat dann die Rolle, Brücken zu schlagen: Zu Sportangeboten der KrankenkassePräventionsprogrammen der Berufsgenossenschaften oder eben fachärztlichen Kollegen.“ 

Fragen Sie die Arbeitsmediziner um Rat

Frau greift sich zur verspannter Schulter
Der Arbeitmediziner kann beurteilen, wie der Arbeitsplatz aussehen sollte, um Rückenschmerzen vorzubeugen | Foto: Canva

Zur Bewertung der Arbeitsplätze nutzen Arbeitsmediziner:innen unter anderem ein besonders Ampelsystem: Die „Leitmerkmalmethoden“ (LMM). „Mit Hilfe dieser Methoden kann eine objektive Einschätzung darüber getroffen werden, wie groß die körperliche Arbeitsbelastung ist“, sagt Dr. Juliane Illert. Das ist nicht nur für Arbeitsplätze mit offenkundig hoher Belastung wichtig. Vielmehr können auch an sich einfache Bewegungen bei ständiger Wiederholung zu Rückenbeschwerden führen. „Als Einzelbewegung genommen ist beispielsweise die minimale Drehbewegung von Kassieren und Kassiererinnen nicht schlimm. Weil sie aber über viele Stunden hinweg stetig wiederholt wird, kann sie die Ursache von Rückenschmerzen sein.“

Ob eine Arbeit rückengesund ist oder nicht, kann also nicht pauschal gesagt werden. Grundsätzlich gilt: Rückengerecht ist es, den Alltag abwechslungsreich zu gestalten. Acht Stunden ausschließlich zu sitzen sollte dabei genauso vermieden werden, wie stundenlanges Stehen. Wer im Job viel sitzt, sollte seine Pausen aktiv gestalten. Ein kurzer Spaziergang oder ein paar Dehnungsübungen sind ideal und in fast allen Umgebungen möglich. Wer viel steht oder in Bewegung ist, sollte Pausenzeiten wiederum zur Ruhe nutzen.

„Natürlich wäre es ideal, die Freizeit an der Beanspruchung im Job auszurichten. Wer sich während der Arbeit wenig bewegt, sollte versuchen, das im Feierabend auszugleichen. Die Realität zeigt aber, dass viele Menschen nicht nur beruflich, sondern auch privat stark eingebunden sind. Wer erschöpft nach Hause kommt, dort noch viel zu erledigen hat, dem fällt es oft schwer zusätzlich noch Sport zu treiben oder regelmäßige Bewegung in den Alltag einzubauen“, sagt Dr. Juliane Illert. Dadurch jedoch würden sich die Probleme noch verstärken. Zusätzlich hat die Corona-Pandemie in den letzten anderthalb Jahren dazu geführt, dass viele Menschen weniger Sport getrieben haben: Fitnessstudios waren viele Monate geschlossen, Training im Verein lange Zeit nicht möglich. „Vielen ist damit regelrecht die Sport-Infrastruktur weggebrochen.“

Der Betriebsarzt hat dann die Rolle, Brücken zu schlagen: Zu Sportangeboten der Krankenkasse, Präventionsprogrammen der Berufsgenossenschaften oder eben fachärztlichen Kollegen.

Dr. Juliane Illert, Fachärztin für Arbeitsmedizin bei Helios

Tipps und einfache Übungen für den Arbeitsalltag

Um mehr Bewegung in den Berufsalltag zu bringen, hat die Arbeitsmedizinerin kleine Tipps. Denn egal ob im Büro oder Homeoffice: Jeder Schritt zählt!  

Bewegung für den Rücken

  • Trinken Sie ausreichend. Das ist nicht nur gut für die Konzentration – sondern erfordert auch den einen oder anderen Weg zur Toilette.
  • Stellen Sie den Drucker im Nebenraum auf.
  • Laufen Sie – wenn möglich – bei Telefonaten durch das Zimmer.
  • Nutzen Sie Treppen statt Aufzüge.
  • Wechseln Sie regelmäßig zwischen sitzender und stehender Arbeit.

Wichtig: Viel hilft nicht viel. Wer sich vom höhenverstellbaren Schreibtisch dazu verleiten lässt, nur noch zu stehen, kann dem Rücken auch schaden. Ein starker Rücken braucht den Wechsel zwischen den Bewegungen.

Um Schmerzen im Rücken zu verhindern, bevor sie entstehen, sollte der Arbeitsplatz frühzeitig zusammen mit dem Betriebsarzt überprüft werden. „Vorhandene Möglichkeiten müssen einerseits bekannt sein und andererseits korrekt eingesetzt werden, damit sie am Ende auch wirklich nutzen und nicht schaden“, so Dr. Illert. Wie das konkret für den eigenen Arbeitsplatz aussieht weiß Ihr Arbeitsmediziner am besten.

Tipps für den ergonomischen Arbeitsplatz im Büro:

Der Bildschirm sollte...

  • frei und standsicher aufgestellt sein.
  • leicht dreh- und neigbar sein, um ihn individuell anpassen zu können.
  • entspiegelt sein.
  • mit Blickrichtung parallel zum Fenster angeordnet sein, so dass Tageslicht seitlich einfallen kann.

Die Anzeige:

  • Die Größe des Monitors muss der Arbeitsaufgabe angepasst sein.
  • Buchstaben und Zahlen sollten auf dem Bildschirm groß genug sein, um das Sehvermögen nicht übermäßig zu belasten.
  • Die Inhalte sollten auf dem Monitor in der sogenannten Positivdarstellung (dunkle Schrift auf hellem Hintergrund) gezeigt werden.

Tastatur und Maus:

  • Die Tastatur muss vom Monitor getrennt sein.
  • Der Bildschirm, die Tastatur und der ergonomische Bürostuhl sollten gerade am Tisch ausgerichtet und auf einer Achse angeordnet sein.
  • Die Maus sollte so gestaltet sein, dass ihre Tasten in normaler Körper- und Handhaltung betätigt werden können, ohne dass die Maus dabei unbeabsichtigt ihre Position ändert.

Gesundes Sitzen und ergonomische Bildschirmaufstellung

Illustration Mensch auf Schreibtischstuhl am Schreibtisch
Grafik: Helios

1) Abstand zum Bildschirm: Der Sehabstand zwischen Augen und Bildschirm sollte 50 bis 70 Zentimeter betragen.

2) Blickrichtung: Die Blickrichtung zum Monitor sollte leicht nach unten gehen (20 Grad Winkel). Die oberste Bildzeile sollte unterhalb der Augenhöhe liegen.

3) Bildschirmgröße: Der Bildschirm sollte mindestens 24'' groß sein. Der Abstand zwischen Bildunterkante und Tischoberkante sollte so gering wie möglich sein. 

4) Arme und Schultern: Die Schultern und Oberarme sollten entspannt sein. Die Oberarme sollten mit den Unterarmen einen rechten Winkel bilden (90 bis 100 Grad). Die Unterarme sollten waagerecht auf dem Schreibtisch liegen. 

5) Arbeitsplatz: Der Arbeitsplatz sollte eine Größe von mindestens 80 x 160 Zentimeter haben.

6) Schreibtischhöhe: Der Schreibtisch sollte sich 19 bis 28 Zentimeter über der Sitzhöhe befinden. 

7) Sitzhöhe: Die Sitzhöhe sollte 42 bis 53 Zentimeter betragen.

8) Tastatur: Die Tastatur sollte 10 bis 15 Zentimeter von der Tischkante entfernt stehen. 

9) Beine und Füße: Ober- und Unterschenkel sollten einen rechten Winkel bilden (mindestens 90 Grad). Die Füße sollten ganz auf dem Boden stehen. 

10)  Die Rückenlehne unterstützt die Sitzposition. Auf Gürtelhöhe sollte sich ein Lendenbausch befinden. Die Armlehnen sollten sich auf Tischniveau befinden. 

11) Sitzfläche: Die gesamte Sitzfläche sollte vollständig genutzt werden. Die Sitzbreite sollte 40 bis 48 Zentimeter betragen.

12) Bürostuhl: Der Bürostuhl sollte höhenverstellbar sein. 

Gesunder Rücken: Drei effektive Übungen für die Muskulatur

Schulterbereich und Wirbelsäule:

Setzen Sie sich auf einem Stuhl gerade hin. Der Rücken liegt dabei an der Rückenlehne an. Umfassen Sie Ihre Hände, als würden Sie sich selbst die Hand reichen, und strecken Sie die Arme nach vorne aus. Dann atmen Sie tief ein und heben dabei die Arme senkrecht in die Höhe. Strecken Sie sich weit nach hinten und verharren Sie in dieser Position zwei bis drei tiefe Atemzüge lang. Lassen Sie die Arme anschließend beim Ausatmen langsam wieder nach vorn sinken, entspannen Sie einen Moment und wiederholen Sie die Übung noch zweimal. 

Übung für den Oberkörper:

Beugen Sie sich im Sitzen langsam nach vorn, bis Ihr Oberkörper auf Ihren Oberschenkeln liegt. Machen Sie den Rücken dabei rund. Lassen Sie den Kopf dabei locker Richtung Knie hängen. Umfassen Sie mit den Händen jeweils Ihre Fußknöchel und verstärken Sie die Dehnung Ihres Oberkörpers vorsichtig durch leichten Zug. Halten Sie diese Position etwa 20 Sekunden lang und atmen Sie weiter ein und aus. Lassen Sie anschließend Ihre Knöchel los und rollen Sie den Rücken von unten beginnend Wirbel für Wirbel ganz langsam wieder auf, während Sie sich wiederaufrichten.

Dehnen der Nackenmuskulatur:

Neigen Sie Ihren Kopf langsam zur rechten Seite, den Blick nach vorne gerichtet, das Kinn angehoben. Achten Sie dabei auf eine aufrechte Haltung. Fassen Sie mit der rechten Hand über Ihren Kopf und verstärken Sie die Dehnung des Nackens vorsichtig durch leichtes Ziehen. Ziehen Sie den linken Arm Richtung Boden und drücken Sie so die linke Schulter nach unten. Position etwa zehn Sekunden lang halten. Wiederholen Sie die Dehnung mit der anderen Seite im Wechsel.

Gesundes Rückentraining – so halten Sie Ihr Kreuz fit

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